Volle Kraftlosigkeit voraus

Vier Wochen vor dem Landesparteitag der Berliner CDU ist Landeschef Christoph Stölzl der einzige Kandidat. Dominiert wird die Union allerdings noch immer von Fraktionschef Frank Steffel – und dessen Umfragewerte sind noch schlechter als die Stölzls

Stölzls Wiederwahl als Landeschef gilt – trotz vielfach geäußerter Kritik – als sicher Offen bleibt, wer die CDU 2006 – oder früher – in den Wahlkampf führt Unter den zwölf Kreisvorsitzenden findet man nur zwei neue Gesichter

von STEFAN ALBERTI

Selten sind die Meldungen über die Spitzenmänner der größten Oppositionspartei geworden. Die jüngste Mitteilung über CDU-Landeschef Christoph Stölzl lieferte die tief schürfende Erkenntnis, dass er als Vizechef des Abgeordnetenhauses in China weilt. Doch was für andere Parteien schlecht wäre, gilt bei der Union als positiv. Stölzl und Fraktionschef Frank Steffel in einem Artikel, das verhieß meist Streit und schlechte Schlagzeilen. Derzeit, vier Wochen vor dem Landesparteitag am 24. Mai, haben sich die beiden arrangiert.

„Pragmatisch“ sagt Parteisprecher Matthias Wambach zum Verhältnis zwischen dem Landes- und dem Fraktionschef. „Gereizt distanziert“ nennt es ein Vorstandsmitglied. Die beiden würden sich nach Möglichkeit aus dem Weg gehen. Dass Stölzl am 24. Mai wiedergewählt wird, gilt zwar trotz leichter Kritik – zu wenig öffentliche Präsenz als Parteichef, zu wenig Reden im Parlament – als sicher. Eine Hausmacht hat er aber weiter nicht. Eigentlicher Boss ist Steffel, der gestärkt aus den heute abgeschlossenen Kreisparteitagen hervorgeht.

Dass Steffel in Beliebtheitsumfragen konstant hinten liegt, jüngst erneut abrutschte und dreimal so schlechte Werte erhält wie der Finanzsenator mit all seinen Spargrausamkeiten – die CDU kümmert das letztlich nicht mehr. In seinem eigenen Bezirk Reinickendorf wählten ihn 92 Prozent der Delegierten erneut zum Kreisvorsitzenden. Sämtliche Steffel-Vertrauten konnten sich in ihren Bezirken an der Spitze halten, und auch die wenigen neuen Chefs werden im Zweifelsfall seinem Lager zugeordnet.

Parteisprecher Wambach weicht aus bei der Frage, wie lange sich die CDU noch Steffels Umfragemisere leisten kann. „Ein anderes Spielfeld“ nennt er die Unbeliebtheit des Fraktionschefs, „ich mache mir Gedanken über die Umfragewerte von Christoph Stölzl.“ Der wiederum rangiert dabei im Mittelfeld, leicht vor dem wenig geliebten SPD-Chef Peter Strieder.

Offen bleibt so auch die Frage, wer die CDU 2006 in die Neuwahlen führt – oder früher, falls Rot-Rot scheitert. Wie einen Spitzenkandidaten finden, wenn der starke Mann der Partei auch der unbeliebteste ist? Wenn zugleich Landeschef Stölzl gerüchteweise offen ist für aktuellere Jobangebote aus Politik und Kultur? Offiziell hat die Partei keinen Sofortplan für den Fall, dass auf die Schnelle Wahlen anstünden.

„Es liegt nichts in der Schublade, und das ist etwas, was von vielen in der Partei als Problem gesehen wird“, sagt auch der neue Kreischef der CDU Mitte, Stephan Tromp. Er spricht aus, was immer wieder hinter vorgehaltener Hand zu hören ist: „Ich kann mir auch eine Außenlösung vorstellen.“ Einer – oder eine – von der Bundes-CDU soll es machen. Dann aber mit mehr Unterstützung von Bundeschefin Angela Merkel als 2001, als kurzfristig der Exparteivorsitzende Wolfgang Schäuble im Gespräch war.

Steffel hat bereits im November durchblicken lassen, dass er nicht auf einer Spitzenkandidatur beharrt. Dauerhaft aber sieht er sich als Chef der Fraktion, die turnusmäßig im Mai neu wählt. Steffel arbeite schon derzeit intensiv darauf hin. Für dieses Ziel sei er auch zu Zugeständnissen an Stölzl bereit, wenn es um dessen Vorstandsmannschaft geht. Als aussichtsreichster Gegenkandidat Steffels gilt weiter der frühere Finanzsenator Peter Kurth. Der will Steffel aber nicht um den Preis der Selbstvernichtung herausfordern. „Er tritt nur an, wenn er eine reelle Chance hat“, heißt es aus der Fraktion.

Währenddessen laboriert die Union weiter an ihrem Wahldebakel vor mittlerweile auch schon eineinhalb Jahren, als die Partei von 40,8 auf 23,8 Prozent abrutschte. Die inhaltliche Erneuerung hakt, bereits im Herbst eingesetzte Kommissionen haben ihre Papiere erst teilweise vorgelegt. Personell war nach dem Wechsel an der Landesspitze auch auf unterer Ebene eine Erneuerung angekündigt. Einzige neue Gesichter unter den zwölf Kreischefs sind aber Tromp aus Mitte und Oliver Scholz in Treptow-Köpenick, 2002 Bundestagskandidat.

Im Amt blieb hingegen einer wie Ingo Schmitt, seit zwölf Jahren Kreischef in Charlottenburg-Wilmersdorf, zugleich Europaabgeordneter. Ihn hielt mancher spätestens nach seinem „Politnutte“-Zitat, das ihn 2001 das Amt des Generalsekretärs kostete, nicht mehr für tragbar. Auch die seit Jahren für ihre Grabenkämpfe berüchtigte CDU in Steglitz-Zehlendorf, Stölzls Kreisverband, die auch nach gerade überstandenem Verfassungsgerichtsverfahren weiterstritt, verzichtete auf einen Neustart.

Einen dritten Führungswechsel neben Tromp und Scholz könnte es zwar heute noch in Tempelhof-Schöneberg beim letzten der zwölf Kreisparteitage geben. Das aber wäre alles andere als ein Generationenwechsel. Gegen den bisherigen Vorsitzenden Dieter Hapel tritt der frühere Generalsekretär Gerhard Lawrentz an. „Bildung gegen Bau“, witzelt man dazu in der Union, weil das Duell im örtlichen Bezirksamt verläuft, wo beide seit Jahren diese Ressorts als Stadträte leiten.

Wenn die beiden heute Vormittag im Rathaus Schöneberg gegeneinander antreten, steht die sonstige Riege der CDU-Führungsträger auf der Straße. Es ist Schirmchentag bei der Union oder neudeutsch „Canvassing“: Sonnenschirm mit Parteilogo aufstellen, Infozettel verteilen, Hände schütteln. Einmal monatlich passiert das bei der Union, dieses Mal aber mit gewisser Spannung auf die Reaktion bei den Passanten. „Auf Wolke sieben“ sei man gewesen, mit immer besserem Zuspruch seit der Bundestagswahl – bis der Irakkonflikt kam und mit ihm die ausdrückliche Pro-Bush-Haltung von Bundeschefin Merkel.

Bei der jüngsten, Mitte April veröffentlichten Forsa-Umfrage verlor die Landes-CDU vier Punkte, rutschte mit 28 Prozent wieder hinter die SPD, die auf 30 Prozent kam. Selbst Parteioffizielle behaupten nicht ernsthaft, dass sich die Union den zwischenzeitlichen Aufschwung selbst erarbeitet hätte. „Im Vorfeld der Aufbruchstimmung“, so charakterisiert Sprecher Wambach die Atmosphäre in der Partei. Selbst diese vorsichtige Formulierung hält Mario Czaja, Kreischef in Marzahn-Hellersdorf, noch für zu optimisch. Schlechter sei die Stimmung, sagte er, „weil die Partei keinen roten Faden hat. Nur auf Fehler der Regierung zu hoffen reicht schlicht nicht aus.“