milli görüs in berlin
: Der Wolf im neuen Schafspelz

Nun passiert doch das, was Tükei-Experten und Ankara-Beobachter bereits seit einem halben Jahr befürchtet haben: Milli Görüs wird hoffähig. Diese jüngste Order aus Ankara ist ein Rückschlag für die laizistischen Türkinnen und Türken in der Bundesrepublik.

Kommentar von CEM SEY

Wichtig ist aber auch die Frage: Ist diese Organisation immer noch dieselbe, die vom Verfassungsschutz bislang als „nicht gewaltorientierte islamistische Bewegung“ bezeichnet wird? Oder hat sie sich verändert und dem demokratischen System angepasst – wie sie selbst gerne behauptet?

Entscheidend sind dabei die Entwicklungen unter den Fundamentalisten in der Türkei. Vor nicht einmal einem Jahr haben dort die „Erneuerer“ sich von den alten Kadern des Islamistenführers Necmettin Erbakan getrennt und haben es geschafft, an die Regierung zu kommen.

Das ist bei Milli Görüs anders. Der Wahlerfolg in der Türkei entfachte hier einen Machtkampf, der noch nicht entschieden ist. Erbakans Neffe, Mehmet Sabri Erbakan, wurde entmachtet. Der neue starke Mann, Oguz Ücüncü, ist weitgehend unbekannt. Zudem stehen diese Mitglieder seit dem 11. September unter Druck, in Scharen verlassen sie Milli Görüs. Um die Basis zu einen und eine Spaltung zu vermeiden, spricht die neue Führung von einem Generationswechsel. Ihr Lebensmittelpunkt sei Deutschland, sagen sie. Ob sie damit auch die Akzeptanz des Grundgesetzes meinen, ist unklar.

Das Wichtigste haben sie nämlich noch nicht geschafft: die Transparenz der Strukturen, von inhaltlicher Veränderung und Demokratisierung ganz zu schweigen.

Nur wenn Milli Görüs es schafft, sich glaubhaft zu erneuern, können die Islamisten im demokratischen System anerkannt werden. Deshalb wären sie gut beraten, wenn sie den aufmunternden Schubs aus Ankara für die eigenen Reformen nutzten.