SPD mobilisiert keinen mehr

Hamburgs Bürgermeister von Beust kann bei der Bürgerschaftswahl am Sonntag auf CDU-Alleinregierung hoffen. Rot-Grün liegt knapp dahinter. Die Umfragewerte sind so konstant, dass eine Bewegung in der letzten Woche unwahrscheinlich scheint

AUS HAMBURG PETER AHRENS
UND SVEN-MICHAEL VEIT

Die Band im Saal spielt „Summer in the City“, draußen werden fünf Grad unter null gemessen: Es ist die Frage, ob das Verkennung der Realität oder pure Zuversicht ist. Die Genossen im Hamburger Congress Centrum klatschen Mut zu, als der Bundeskanzler eine Woche vor der Bürgerschaftswahl zur Unterstützung des Spitzenkandidaten Thomas Mirow in die Hansestadt geeilt ist. Die Demoskopen trauen der SPD nur 30 Prozent der Stimmen zu, aber der Kanzler bemüht sich, alle Zweifel zu zerstreuen.

Schließlich habe er 2002 auch die Bundestagswahl noch umgebogen, erinnert er, und Mirow stößt ins selbe Horn: Erst in dieser letzten Woche vor dem Urnengang werde sich die Wahl entscheiden. Und selbst dem scheidenden Generalsekretär und Landesvorsitzenden Olaf Scholz gelingt es, die Basis zu Beifallsstürmen hinzureißen, als er ausruft: „Hamburg braucht wieder einen Bürgermeister, der diese Stadt regiert.“

Die SPD braucht diesen Abend, um Hoffnung zu schöpfen. Zu frustrierend ist der Wahlkampf bis dato gelaufen. Die Umfragewerte stagnieren seit Wochen. Mirow macht dafür unverhohlen die Bundespolitik verantwortlich. Wenn der Bundeskanzler kommt, verkneift er sich solche Töne allerdings und verweist lieber auf die gemeinsame Beziehung, die Schröder und er zum sozialdemokratischen Leitstern Willy Brandt hatten: „Willy wäre heute stolz auf dich“, stellt der Kandidat in Richtung Kanzler fest. Der hört es gern und spricht anschließend von den Herausforderungen, den Sozialstaat zu bewahren, indem er „neu verstanden“ werden muss. Der Applaus ist dann nicht mehr so stürmisch.

Große Hoffnungen auf einen Sieg am Sonntag machen SPD und auch die Grünen sich nicht mehr. Zu konstant liegen Ole von Beust und seine Union in den Umfragen bei 44 oder gar 47 Prozent. Selbst das historische Ereignis einer absoluten CDU-Mehrheit in der einstigen SPD-Hochburg an der Elbe scheint möglich. „Ich mache erfolgreiche Politik, und habe mich auch im Amt nicht verbogen“, lautet von Beusts einfache Erklärung: „Das honorieren die Menschen.“ So sehr offenbar, dass dem 48-jährigen Freiherrn, der vor zweieinhalb Jahren mit lediglich 26,2 Prozent Bürgermeister wurde, ein bundesdeutsches Novum gelingen könnte. Als erster Ministerpräsident wird er seine Wahlprozente nahezu verdoppeln – und das binnen einer halben Legislaturperiode.

Zwar liegt er nur knapp vor den vereinigten Roten und Grünen, die sich wechselseitig als Wunsch-Koalitionspartner sehen. 30 Prozent für die SPD und 14 für die GAL sagen die Demoskopen voraus – ebenfalls seit Wochen so konstant, dass der Schluss nahe liegt, die jeweiligen Reservoirs seien ausgeschöpft. Keine berauschenden Aussichten vor allem für die Sozialdemokraten beim Hamburger Auftakt zu mehr als einem Dutzend Landtags- und Kommunalwahlen in diesem Jahr.

Die Unsicherheitsfaktoren für den Wahlausgang heißen FDP und Pro DM/Schill. Beide liegen bei rund vier Prozent. Ob einer oder gar beide den Sprung ins Landesparlament noch schaffen, wagt niemand vorherzusagen. Sollten die Liberalen dank Leihstimmen aus dem Unionslager reüssieren, bekommt Hamburg, ob mit oder ohne Schill, eine schwarz-gelbe Koalition.

Spannend wird es lediglich, falls nur der Rechtspopulist mit seiner neuen Partei – von seiner alten, die an der Einprozentmarke dümpelt, spricht in Hamburg kaum noch jemand – in die Bürgerschaft einzieht. Dann sind alle nahe liegenden Modelle passé: Nur eine große Koalition oder Schwarz-Grün könnten dann eine Mehrheit bilden.

Kein Wunder also, dass die SPD immer unverhohlener mit dieser Option flirtet, „wenn denn die Wähler es so wollen“. Für die Grünen hingegen ist eine Koalition mit der CDU nicht mehr als eine theoretische Möglichkeit. „Wir sind nicht Oles Mehrheitsbeschaffer an Stelle Schills“, heißt es. Dem Bürgermeister ist es hingegen egal, wer ihm den Steigbügel hält. „Vielleicht“, sagt er, „spreche ich erst mit der SPD und dann mit den Grünen, vielleicht auch umgekehrt“, und lächelt spitzbübisch.