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: Zeit für New York

Kinder wollen junge Mütter, aber junge Frauen wollen keine Kinder – ein lästiges Dilemma

Meine Freundin Frida dampfte immer noch vor Wut. „Und dann sagte die eine, es wäre ja geradezu eklig, diese 40-jährigen West-Muttis, wie sie ihre Säuglinge schunkeln!“ – „Das hat sie nicht gesagt.“ – „Hat sie doch! Und ich habe mir so gerade noch den Satz verkniffen: Also ich hatte in meinem Langzeitstudium und den beiden Jahren im Ausland viel Spaß – schade, dass ihr aus dieser langweiligen DDR nicht rauskonntet!“ – „Das hast du gesagt?“ – „Nein, sag ich doch, habe ich nicht gesagt.“

Schade eigentlich. Wäre ja wohl gut gekommen.

Nun steht meine Freundin Frida nicht jeden Tag auf Partys mit Frauen herum, die zwar auch Anfangmitte 30 sind, aber aus dem Osten und Mütter von pubertierenden Kindern. Und die zwar auch pausenlos davon reden, ob und wie man sich an Falten und wubbelige Oberschenkel gewöhnen könnte, aber mit Genugtuung dann doch drauf hinweisen, dass sie wenigstens schon Kinder geboren hätten, da darf der Körper schon etwas mitgenommen aussehen.

Während diese West-Frauen ja frühestens mit 30 überhaupt von Mami und Papi abgenabelt sind und sich dann erst im Leben zurechtzufinden beginnen. Und mit ein bisschen Glück haben sie mit 36 eine halbwegs haltbare Beziehung und werden mit 38 dann selbst endlich erwachsen, sprich Mutter. Im Osten dagegen war das so: Studium durch mit 22, Kind in der Krippe mit 23, und fertig ist das Jungerwachsenenglück!

Frida dagegen war noch nicht fertig. „Und weißt du, was die andere dann sagte? Sie sagte, du liebe Güte, diese West-Frauen sind im Renten- und Bluthochdruckalter, wenn deren Kinder endlich das Haus verlassen. Und wenn die noch ihre Abende bei Elternversammlungen in überhitzten Klassenzimmern verplempern, haben wir uns längst als freie Architekten in New York niedergelassen.“ – „Ha“, rief ich, wohl wissend, worauf Frida hinaus wollte, „welche Fremdsprachen beherrschen die Damen denn? Die werden mit ihrem Schul-Russisch ja weit kommen!“

Ui, das war dann doch zu dick aufgetragen. Ich wollte gerade anfangen mich zu schämen, aber Frida bemerkte das gar nicht, schließlich war sie grade im vollen Schwung: „Und ich sage dir: Ob mit 40 oder mit 55, mit wubbeligen Oberschenkeln fühlt man sich da doch sowieso nicht wohl! Das ist den New Yorker Schlankheitsköniginnen nämlich total egal, ob du wegen Kindern oder trotz ohne Kinder überall Speckfalten wirfst – in jedem Fall wirst du nicht dazugehören.“

Woher sie dieses Wissen nahm, war mir nicht ganz klar, schließlich stehen wir beide auch nicht jeden Tag auf New Yorker Schlankheitsköniginnen-Partys herum. War ja auch egal – es will schließlich in Wirklichkeit kein Mensch nach New York ziehen.

Mir jedoch fiel plötzlich ein, dass meine kleine Schwester vor langer, langer Zeit einmal in Tränen ausgebrochen ist, weil sie „so alte Eltern“ hatte. Sie kam von einem Klassenausflug zurück oder so was – jedenfalls waren ihre Schulfreundinnen sämtliche von Vätern und Müttern begleitet oder abgeholt worden, die noch ihre echte Haarfarbe hatten und Markenjeans trugen und im Auto richtige Popmusikkassetten hörten. So hat sie das damals nicht gesagt, aber gemeint. Unsere Eltern lachten, weil sie die Bedeutung von Markenjeans und Popmusik sowieso nie voll erfasst haben (mit der Haarfarbe, das ist was anderes), und wir älteren Geschwister lachten auch, weil wir dankenswerterweise aus dem Alter heraus waren, in dem man von Eltern abgeholt wird.

Was aber, dachte ich nun, wenn es Kindern wirklich etwas ausmacht, wie alt ihre Eltern sind? Das wäre natürlich ein Problem. Zwar würden Frida und ich jederzeit beteuern, dass unser Interesse an Markenjeans und Popmusik nie erlahmen wird, und Haare kann man auch so färben, dass keiner merkt, dass es wegen der grauen Strähnen geschieht.

Aber es könnte ja sein, dass den Kindern, die in diesem Jahrzehnt geboren werden, ganz andere, ungeahnte Dinge wichtig sind – und wir wüssten es noch nicht einmal, würden weiter über Musikstile plaudern, die wir für aktuell hielten, während der Nachwuchs sich damit beschäftigt, wie, sagen wir: Bettwäsche oder Frühstücksgeschirr eigentlich auszusehen hat.

„Frida“, sagte ich, „vielleicht gibt es gute Gründe, doch schon mit 20 Kinder zu kriegen?“ Sie rollte mit den Augen. Ich murmelte etwas von Bettwäsche und Frühstücksgeschirr, aber das verstand sie natürlich nicht. „Es ist ganz einfach“, sagte sie: „Entweder bildest du dir mit 27 und noch ohne Kinder ein, dich jederzeit in New York als erfolgreiche Künstlerin niederlassen zu können, oder mit 37 und bald wieder ohne Kinder.“ Stimmt, und passieren wird weder das eine noch das andere.

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