Als aus Skinheads Faschos wurden

Beim „British Schools Film Festival“ wird „This is England“ von Shane Meadows als Erstauffführung gezeigt

Die ursprünglichen Skinheads im England der frühen 80er Jahre waren den heutigen Antifa-Gruppen näher als den Neonazis. Mit ihren rasierten Schädeln und Doc Martens-Stiefeln entsprachen sie zwar schon dem Klischee vom faschistischen Schläger, aber ihre Wurzeln hatten sie in den multikulturellen britischen Arbeiterschichten und ihre Musik, Ska, kam aus Jamaika. Die hohe Arbeitslosigkeit und gesellschaftliche Kälte in den Jahren von Margret Thatcher isolierte diese Subkultur dann aber so, dass die meisten von ihnen zur National Front überliefen, und der Begriff Skinhead schließlich zum Synonym für rassistischer Krawallmacher wurde.

Der Regisseur Shane Meadows war in dieser Wendezeit selber ein junger Skinhead, und deshalb hat man das Gefühl, dass in seinem semiautobiografischen Film „This is England“ jedes Detail , jede Frisur, jedes Kleidungsstück, jeder Spruch und jedes Saufgelage authentisch sind.

Sein Alter Ego ist der zwölfjährige Shaun, dessen Vater als Soldat im Falklandkrieg gefallen ist, und der als kleiner, dicker Junge von seinen Mitschülern gehänselt wird. Seine alleinerziehende Mutter ist mit seiner Erziehung heillos überfordert, und so ist es ein Glücksfall für ihn, dass er ohne viel Federlesen von der Gang des Skinheads Woody adoptiert wird. Nach der rituellen Schädelrasur des noch reichlich kindlich wirkenden Shaun marschiert dessen Mutter zwar mit ihm in die Fish n Chips Bude, in der die Skins campieren, und stellt Woody empört zur Rede, aber auch sie merkt dann bald, wie gut ihrem Sohn die schützende Gruppe tut.

Zu dieser Ersatzfamilie gehört ein schwarzer Jamaikaner, den die anderen scherzhaft Milky nennen, und auch sonst ist die Gruppe eher tolerant und unpolitisch. Doch das ändert sich, nachdem das Bandmitglied Combo aus dem Knast entlassen wird, und versucht, die anderen mit faschistischen Sprüchen zu manipulieren. Die Gang spaltet sich und Shaun hält lieber zu dem vermeintlich stärkeren Combo. Mit ihm kann er es dem pakistanischen Ladenbesitzer heimzahlen, der ihn einmal herausgeworfen hatte, weil er zu lange in den Comics geblättert hatte. Dass der Mann dann aber von Combo und seinen Schlägern halb tot geprügelt wird, und schließlich sogar sein Freund Milky im Krankenhaus landet, zwingt ihn zu einer Entscheidung, für die er im Grunde noch viel zu jung ist.

Meadows erzählt mit einer wehmütigen Zuneigung von diesen Jugendlichen. Dabei wird er nie melodramatisch oder sentimental, sondern zeigt statt dessen so genau wie möglich, wie trist das Leben im Yorkshire der frühen 80er Jahre sein konnte. Und er bietet eine fast dokumentarisch wirkende Einsicht in diese Subkultur, deren Mechanismen, Ikonen und Riten. Man kann genau nachvollziehen, warum all das für Shaun so anziehend ist, und die Einpeitscher von der National Front werden nicht dämonisiert, sondern als geschickte Demagogen gezeichnet.

Anders als Medows Debütfilm „TwentyFourseven“ von 1997 wurde „This is England“ in Deutschland nur auf DVD veröffentlicht, und so bietet nun die Schulkinowoche „Britfilms“ die einzige Gelegenheit, ihn auf einer großen Leinwand in der Originalversion mit Untertiteln zu sehen. Von heute bis Mittwoch werden in der Schauburg, dem Atlantis und der Gondel an den Vormittagen sechs Filme gezeigt, darunter auch der Gute-Laune-Brummer „Billy Elliot - I Will Dance“ und der Beatles-Klassiker „A Hard Days Night“ von Richard Lester.

WILFRIED HIPPEN