Blauer Turm spuckt Gift

Herten hat für sein Wasserstoff-Zentrum die Verarbeitung von giftigen Stoffen beantragt. AnwohnerInnen fürchten Schadstoffe in der Luft

„Rein theoretisch“ könnten hier auch Bahnschwellen und Telefonleitungen vergast werden

VON ANNIKA JOERES

Die Stadt Herten wiegt ihre BürgerInnen in falscher Sicherheit. Sie behauptet, im zukünftigen Wasserstoffkompetenzzentrum „Blauer Turm“ nur biologische Stoffe wie Grünschnitt und Laub zu verbrennen. Die beantragte Genehmigung bei der Bezirksregierung Münster sieht aber anders aus: „Im blauen Turm sollen auch `überwachungsbedürftige Hölzer` verarbeitet werden“, sagt Stefan Borgmann, Sprecher der Bezirksregierung. Das seien zum Beispiel Hölzer mit Plastikspuren oder Lösungsmitteln und farbgetränkte Baumstämme.

Das bestreitet Hertens Sprecher Norbert Johrendt. „Wir wollen nur Laub und Astschnitt verbrennen“. Etwas anderes sei nicht vorgesehen, auch wenn, „rein theoretisch“, Bahnschwellen und Telefonleitungen verarbeitet werden könnten. Dies sei aber unwahrscheinlich, es gebe kaum noch Telefonmasten. „Die Befürchtungen der Anwohner sind rein rhetorisch“, sagt Johrendt.

Herten, einst größter Steinkohlestandort Europas, will sich seit der Schließung der letzten Zeche im Jahr 2000 auf Wasserstoff spezialisieren. Seit 2002 läuft schon eine Miniversion des kommenden Blauen Turms. Natürliche Materialien wie Laub und Baumstämme sollen hier zu Methan vergast und dann zu Wasserstoff weiterverarbeitet werden. Die Gelsenkirchener Firma „Masterflex“ will aus diesem Stoff dann Brennstoffzellen für „mobile offices“ wie Laptops und Handys produzieren.

Inzwischen hat sich der Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND) NRW gegen die Genehmigung für den Blauen Turm ausgesprochen. „Der Turm wurde uns als umweltfreundlich verkauft“, sagt Sigrun Zobel vom BUND. „Erst jetzt haben wir erfahren, dass gefährliche Stoffe verschwelt werden sollen.“ AnwohnerInnen befürchteten nun, dass giftige Gase in die Wohngegend entweichen könnten. Auch die Ratsfraktion der Neuen Recklinghäuser Wählergemeinschaft (WIR) sieht in der Anlage eine Gefahr für die Gesundheit. „Da wird mit falschen Fakten hantiert“, sagt Ratsherr Jürgen Paul. Er sprach sich deshalb im Ausschuss für Stadtentwicklung dafür aus, den Hertener Turm kritisch unter die Lupe zu nehmen. „In die Stadtteile Hochlarmark und Stuckenbusch können Schadstoffe aus dem Blauen Turm hineingetragen werden.“

Hertens Sprecher Norbert Johrendt hält die Einwände für „rein rhetorisch.“ Die sogenannten Umweltfreunde seien auf dem Holzweg. Außerdem springe für Herten eine „Handvoll Arbeitsplätze“ dabei heraus. Bürgermeister Klaus Bechtel (SPD) wird deutlicher: „Hier geht es um Arbeitsplätze.“ Er frage sich, wie sich der BUND die Zukunft vorstelle. „Wir können auf Hertens Industrieflächen nicht nur Rasen säen und Sonnenblumen pflanzen.“