Schüler erliegen der „Jecken Fairsuchung“

Wurfmaterial aus fairem Handel und biologischem Anbau ist bei den Kölner Karnevalszügen noch Mangelware. Nach wie vor dominieren billig und in Massen produzierte „Kamelle“ der großen Markenartikler im Straßenbild

Köln taz ■ Die Schull- und Veedelszöch vom Sonntag erwiesen sich nicht nur insofern als Wegbereiter, als dass der Rosenmontagszug gestern dieselbe Strecke nahm. Sie zeigten sich auch als Trendsetter in Sachen Wurfmaterial. Denn im Gegensatz zu den großen Karnevalsgesellschaften brachten die Kölner Schulen und Vereine Kamelle aus fairem Handel und biologischem Anbau der Kampagne „Jecke Fairsuchung“ unters Volk.

In dieser Session waren es 19 Grundschulen und Gymnasien, die faire Kamelle unter ihr Wurfmaterial gemischt hatten. „Das haben wir letztes Jahr zum ersten Mal gemacht. Jetzt wird es wohl zur Tradition an unserer Schule“, sagt Harald Junge, Direktor des Kölner Humboldt-Gymnasiums. Immerhin 20 Prozent seines Gesamtbudgets für Karnevalsaktivitäten investierte das Gymnasium in die Süßigkeiten der „Jecken Fairsuchung“. „Wir unterstützen natürlich den Gedanken, der dahinter steht, sind aber auch immer im Zwiespalt, weil die Sachen relativ teuer sind“, erklärt Junge.

Die höheren Kosten waren wohl auch der Grund, warum man die fairen Kamelle bei den Schull- und Veedelszöch insgesamt in der bunten Flut mit der Lupe suchen musste. Eine etwa Sechsjährige im Bienenoutfit wollte den Inhalt ihres Beutels erst zuhause genauer inspizieren. So wie sie sind einige Kamellesammler wohl erst nach dem Zug auf das faire Wurfmaterial aufmerksam geworden. Tobias, 11, ging systematisch vor: „Bonbons hebe ich gar nicht auf, nur alles, was groß ist und bunt.“ Der Astronaut im silbernen Kostüm war zu eifrig mit Sammeln beschäftigt, um etwas zu probieren. Eine junge Clown-Familie mit pappnasigem Nachwuchs im Kinderwagen knabberte dagegen gleich vor Ort an Sesamriegeln aus Nicaragua: „Wir finden das eine gute Idee. Da sollten mehr mitmachen!“

Ihr Appell blieb vorerst ungehört, denn „Mango Monkeys“ von den Philippinen, Bio-Sesamriegel aus Nicaragua oder Schokotäfelchen mit Kakao aus kontrolliert biologischem Anbau in Lateinamerika oder Afrika konnte man am Montag bei Deutschlands größtem Rosenmontagszug nicht in den Kamellebüggel packen. Stefan Kreutzberger von „Jecke Fairsuchung“ wünscht sich mehr Initiative von den Karnevalsvereinen: „Ziel unserer Kampagne ist es nicht, von heute auf morgen die Welt zu verändern, sondern kleine, nachvollziehbare Schritte zu gehen.“ Wenn die Vereine 90 Prozent ihres Wurfmaterials von den bisherigen Lieferanten bezögen und für 10 Prozent der kalkulierten Ausgaben Kamelle aus fairem Handel bestellten, sei schon ein Zeichen gesetzt.

Im Moment ist man davon noch weit entfernt. In dieser Session konnten zwar 150.000 Stück verkauft werden, aber das sind gerade mal ein Prozent der Gesamtmenge, die in diesem Karneval unters Volk gebracht wurde. Zum Vergleich: Beim Kölner Rosenmontagszug wurden die Jecken gestern mit etwa 140 Tonnen Süßigkeiten und Präsenten bombardiert. Darunter waren allein 700.000 Schokoladentafeln – keine einzige jedoch von der „Jecken Fairsuchung“.

Zwar hatte sogar OB Fritz Schramma für diese Kampagne die Schirmherrschaft übernommen und bekundete in seinem Grußwort die Hoffnung, „dass sich zahlreiche Karnevalsgesellschaften, Vereine, Gruppen und Schulen für diese gute Idee begeistern“. Bisher konnte der OB jedoch bei den traditionsreichen und finanzstärksten Gesellschaften offenbar noch keinen überzeugen. Erstmals an der Zugspitze nutzte „Hänneschen Schramma“ gestern auch selbst nicht die Gelegenheit, den Bürgern „Mango Monkeys“ zuzuwerfen.

Kampagnensprecher Kreuzberger ist trotzdem zufrieden mit der Session. Es gab eine Absatzsteigerung von 50 Prozent gegenüber dem Vorjahr, und zum Höhepunkt der tollen Tage war alles ausverkauft. Eine letzte Chance, in dieser Session faire Kamelle zu fangen, bietet der heutige Südstadt-Zug. Die Veranstalter der Stunksitzung hätten für den Veedelszoch, der heute ab 14 Uhr in der Wormser Straße startet, Wurfmaterial gekauft, verrät Kreutzberger von „Jecke Fairsuchung“. Jessica Düster