Helfen helfen

Neue Informations- und Koordinierungsstelle für Demenzerkrankte und deren Angehörige: Notruf-Telefon bietet Pflegenden ein offenes Ohr

Bremen taz ■ Die Zahnbürste in der Hand – und was nun? Oder: Die Frau im Spiegel – wer ist das? An Demenz Erkrankte können sich in ihrer gewohnten Umgebung oft überhaupt nicht mehr zurecht finden, erkennen sich selbst nicht mehr und auch nicht die Tochter oder den Lebenspartner, der bei der Bewältigung des Alltags helfen möchte. Allein 12.000 Kranke leben in Bremen, zwei Drittel von ihnen werden zu Hause von ihren Angehörigen gepflegt. „Nicht nur für die Betroffenen, sondern auch für die Pflegenden stellt eine Demenzerkrankung eine außergewöhnliche Belastung dar“ sagt Tanja Meier, Projektkoordinatorin bei der gestern offiziell eröffneten Informations- und Koordinierungsstelle für Angehörige von Demenzkranken.

Träger dieser neuen Einrichtung ist der Dachverband der freien Wohlfahrtspflege, die Landesarbeitsgemeinschaft (LAG). Finanziert wird die Koordinierungsstelle zu gleichen Teilen durch die Stadtgemeinde und Pflegekassen, die durch das neue Pflegesicherungsgesetz verpflichtet sind, sich an den Kosten für Angehörigenarbeit zu beteiligen.

Die Anlaufstelle für pflegende Angehörige soll weiterhelfen bei Fragen zum Krankheitsbild, bei der Suche nach einem freien Pflegeheimplatz oder bei rechtlichen Belangen. Zusätzlich gibt es Selbsthilfegruppen – angegliedert an die Zentren der einzelnen Wohlfahrtsverbände AWO, DRK, Caritas und Paritätischer Dienst in Vegesack, Gröpelingen, Schwachhausen, Buntentor und der Vahr. Begleitet werden deren Treffen von einer pädagogischen Fachkraft. In den Gruppen solle „unter Gleichen“ über Sorgen und Probleme gesprochen werden können, sagt Projektkoordinatorin Tanja Meier. „Hierdurch soll die Isolation aufgebrochen werden, in die viele Pflegende durch die zeit- und kraftintensive Beanspruchung geraten.“ Je nach Bedarf der Gruppe sollen auch Referenten eingeladen werden, die über Themen – wie zum Beispiel das Betreuungsrecht oder auch Inkontinenzartikel – informieren sollen.

Für akute Krisensituationen bietet das Notruftelefon „Help-Line“ pflegenden Angehörigen ein offenes Ohr. Dieses bilden derzeit sieben ehrenamtliche und speziell geschulte Helferinnen – weitere werden noch gesucht. Meistens würden sich die Anrufer mit einer ganz konkreten Frage melden – zum Beispiel nach einem Pflegeheim, erzählt Annemone Gerharz von der Help-Line. Meistens verberge sich dahinter aber ein viel größeres Problem. „Wir hören erst einmal zu, versuchen, an den Druck heranzukommen, ein Ventil zu öffnen.“ Wer weitergehende psychologische Betreuung brauche, müsse dann allerdings weitervermittelt werden, an die Selbsthilfegruppe oder in schwierigeren Fällen auch mal an eine Psychotherapeutin.

Damit unterscheidet sich das Projekt auch grundlegend von der vor einem Jahr aufgegebenen Beratungsstelle der Arbeiterwohlfahrt (AWO), die eine eigene Psychologin beschäftigte. Diese war außerdem nicht allein für Angehörige von Demenzkranken offen, sondern für alle, die zu Hause jemand pflegten und nicht mehr weiterwussten. Projektkoordinatorin Tanja Meier versichert aber, dass im Zweifelsfall niemand abgewiesen werde.

Sabina Fischer