„Besser werden müssen wir immer. Alle“

Der Weser-Kurier streikt und es ist nicht allen egal: Es gibt reihenweise Leserbeschwerden und rund 700 Abounterbrechungen. Wer sich beschwert, bekommt fünf Euro gutgeschrieben. Gestern fuhren die Redakteure im Ausstand nach Hamburg und demonstrierten dort

Heute wird verhandelt, morgen entschieden, wie es weitergeht

Bremen taz ■ „Ich bin ja sehr berührt, dass sich alle solche Sorgen um unsere Qualität machen“, meinte Weser-Kurier-Chefredakteur Volker Weise gestern süffisant, als er einen weiteren Tag als einer von gerade mal sechs Redakteuren mit einer Reihe von MitarbeiterInnen eine Zeitung zu machen hatte. Denn die rund 120 RedakteurInnen von Weser-Kurier und Bremer Nachrichten streiken weiter, gestern einmal mehr öffentlichkeitswirksam: Man fuhr zwecks gemeinsamen Demonstrierens nach Hamburg und protestierte mit KollegInnen aus dem gesamten Norden gegen Einschnitte bei Urlaubsgeld und Urlaubszeit. Denn heute streiten in Berlin Zeitungsverleger und Gewerkschaften in der inzwischen achten Runde um die Höhe des Urlaubsgeldes, die Anzahl der Urlaubstage und längere Arbeitszeiten.

Was derzeit im Pressehaus an der Martinistraße produziert wird, das stößt bei zahlreichen Lesern auf Unmut. Rund 700 Abo-Unterbrechungen gebe es mit ausdrücklichem Bezug auf die mindere Qualität, so Hans-Ulrich Brandt von der Streikleitung, außerdem massenweise Leserbriefe. Wer als Abonnent im Pressehaus anruft, bekommt sofort eine Gutschrift von fünf Euro für sein Abo-Konto zugesagt – oh ja, man habe derzeit wirklich mit zahlreichen unzufriedenen Lesern zu tun, so der junge Mann am anderen Ende der Leitung.

„Wir warten darauf, dass die Redakteure wieder reinkommen“, sagt daher auch Chefredakteur Weise. Was er nicht sagt und auch ausdrücklich zurückweist, ist die Vermutung, dass sich der Streik auch zum Nachteil für die Streikenden entwickeln kann. So sehr sich Leser beschweren mögen – der überwiegende Teil der lesenden Kunden hält still. Und zeigt so, dass sich auch mit sehr viel weniger Personal eine inhaltlich vielleicht unbefriedigende, aber denn doch verkaufbare Zeitung machen lässt. Dazu will sich niemand öffentlich äußern, nicht der Chef und kein Redakteur. Unter „die Kategorie Drohgebärden“ verbucht Hans-Ulrich Brandt von der Streikleitung indes solche Ideen, sie seien übrigens nicht neu. Aber eben auch nicht wirkungslos – die Streikfront sei sehr stabil, aber natürlich sei der ein oder andere Kollege beunruhigt, sagt Brandt.

Nach der heutigen Verhandlungsrunde werden die Bretag-RedakteurInnen morgen die Ergebnisse besprechen und entscheiden, ob und wie es mit dem Streik weitergeht.

Und wenn sie dann wieder in ihren Redaktionen sind, dann, so Chefredakteur Weise, werde man auch über Qualität zu sprechen haben, die ja bekanntlich im Regionalen und Lokalen liege. Was das heißen soll, ließ er offen. Nur so viel: „Besser werden müssen wir immer“, Pause – dann, mit Nachdruck: „Alle.“ sgi