Kringel von Kreativität und Fantasie

Als Nachfolger des Madrider Urgesteins del Bosque muss der neue Real-Coach Carlos Queiroz gegen viele Widerstände kämpfen. Ein Erfolg gegen Bayern München im Achtelfinale der Champions League ist Pflicht für den Portugiesen

MADRID taz ■ Im Grunde genommen ist der Trainer einer Fußballmannschaft wie der Real Madrids nicht zu beneiden. Wenn sie siegt, heißt es, das täte sie auch ohne ihn. Wenn sie verliert, sagt man, der Coach müsse schon ein Dummkopf sein, um mit solchen Kickern zu scheitern. Momentan gewinnen die Madrilenen. Sie führen die spanische Liga an, stehen im Pokalfinale (gegen Zaragoza) und haben mühelos das Achtelfinale der Champions League erreicht, in dem sie am heutigen Dienstag (20,45 Uhr, Sat.1) hoch favorisiert auf Bayern München treffen. Besser könnte es nicht laufen für den Portugiesen Carlos Queiroz, 50 Jahre alt und seit Saisonbeginn Übungsleiter beim Weltverein. Und doch stand neulich in der Sportzeitung Marca, sein Rauswurf zum Saisonende sei bereits beschlossen. Völlig abwegig ist das nicht, schließlich musste 1998 nach dem Triumph in der Champions League auch Jupp Heynckes gehen und nach dem Meistertitel im vergangenen Sommer Vicente del Bosque.

Queiroz kontert die Gerüchte mit einem Lächeln. Er ist keiner, der sich leicht aus der Ruhe bringen lässt. Die grün-grauen Augen blicken entspannt aus dem braun gebrannten Gesicht. „Ich bin der Trainer Real Madrids auf Wunsch des Präsidenten“, sagt er gelassen, „bis zu dem Tag, an dem er einen anderen Wunsch hat.“ Aber warum sollte er? Florentino Perez suchte einen zurückhaltenden Mann von Welt mit Sachverstand, Geschick im Umgang mit jungen Leuten und Berühmtheiten, Liebe zum Angriffsfußball und modernen Methoden. All das trifft auf Queiroz zu, und bisher stimmen auch die Resultate.

Sich selbst als Star aufzuspielen, liegt dem Gentleman fern, Allüren kennt er nicht. Während andere Madrider Protagonisten nach Pressekonferenzen umgehend das Weite suchen, kann man ihn immer noch ansprechen. Er redet ruhig, in einem lustigen Kauderwelsch aus Spanisch und Portugiesisch. Englisch, Französisch und Italienisch kann er auch, schließlich prägen Auslandsaufenthalte die Karriere. Neben der Nationalelf seines Heimatlandes coachte er die New York Metro Stars, den japanischen Klub Nagoya Grampus Eight sowie die Auswahlen der Vereinigten Arabischen Emirate und Südafrikas. Experten wurde Queiroz durch die WM-Titel mit Portugals Nachwuchs 1989 und 1991 bekannt. Luis Figo kennt er, seit der elf war, Beckham seit gemeinsamen Zeiten bei Manchester United, wo Queiroz als Assistent von Sir Alex Ferguson arbeitete. Das erleichterte die Ankunft in Madrid.

Die Grundausrichtung in Madrid ist dieselbe wie bei United: Es geht nach vorne, aber mit spielerischen, weniger mit kämpferischen Mitteln. „Ich kann hier keine Mannschaft von Kriegern formen“, sagt der erste portugiesische Coach der Real-Geschichte, „denn ich habe keine Krieger. Mutige, stolze Spieler mit Siegeswillen, das schon, aber man muss die Natur des Klubs respektieren. Wir bieten Fußball der Fantasie, der Magie, der Kreativität.“ Dabei malt er mit den Händen Kringel in die Luft. Der Señor aus Nampula in der früheren portugiesischen Kolonie Mosambik hat den offiziellen Diskurs der Königlichen schnell verinnerlicht und weiß genau, was von ihm erwartet wird: „Ich habe hier eine klar vorgegebene Vereinspolitik.“ So würde er nie öffentlich neues Personal fordern, obwohl ihm zweifellos ein paar gestandene Verteidiger fehlen. Weil er die Vorgaben respektiert, verhöhnen ihn Kritiker als Marionette des Präsidenten.

Die Mannschaft ist in einem sehr guten Zustand, auch körperlich. Viele Tore zu Spielende beweisen das. Queiroz arbeitet eng mit Fitnesstrainer Walter di Salvo zusammen. Der Italiener hat im Sommer von Lazio Rom einige neue Methoden mitgebracht, zum Beispiel gibt es am Tag nach dem Spiel kein Auslaufen mehr, sondern Wassergymnastik im Schwimmbad. Die Stars werden unter Queiroz so wenig wie möglich, aber so oft wie nötig aus der Elf rotiert: „Wir kontrollieren Minute für Minute alles, was jeder Einzelne im Training und im Wettkampf leistet und in Gesprächen ihren mentalen Zustand. Wenn es Gründe gibt, einen rauszunehmen, tun wir das. Es ist besser, einmal auf Zidane zu verzichten als wegen einer Verletzung drei Wochen.“ Von seinen Koryphäen fordert der Fußballlehrer Professionalität, ohne sich als ihr Kindergärtner aufzuspielen. Solange etwa Ronaldo Tore wie am Fließband produziert, scheren dessen berüchtigte nächtlichen Ausflüge wenig.

Der Neue leistet also gute Arbeit und hat doch einen schweren Stand in der Presse. Die war mit Vorgänger del Bosque eng verbunden und hat nun immer irgendetwas auszusetzen. Allen werde er es eben nie recht machen können, sagt Queiroz schulterzuckend und wartet dazu mit einer „Fabel vom Kind, dem alten Mann und deren Esel“ auf: „Wenn das Kind oben sitzt, wird kritisiert, dass der schwache Alte zu Fuß gehen muss. Sitzt der Alte oben, heißt es: das arme Kind. Gehen beide, werden sie für dumm gehalten, denn warum haben sie dann überhaupt einen Esel? Und sitzen beide oben, dann schimpfen die Tierschützer.“ RALF ITZEL