Staatskohle für neue Klimakiller

Bundesumweltminister Sigmar Gabriel will den Energiekonzernen Einnahmen aus dem Emissionshandel für den Bau neuer Kohlekraftwerke zukommen lassen

BERLIN taz ■ Energiekonzerne können auf Geld vom Staat für neue Kohlekraftwerke hoffen. Bundesumweltminister Sigmar Gabriel (SPD) erklärte am Mittwoch auf der 3. Klimakonferenz des Energiekonzerns EnBW, dass ein Teil der künftigen Einnahmen aus dem Emissionshandel als Beihilfe für den Bau neuer Anlagen genutzt werden solle. Die rechtlichen Voraussetzungen auf EU-Ebene müssten jetzt in Brüssel geschaffen werden, sagte Gabriel.

Der Minister verwies zur Begründung auf dramatisch gestiegene Anlagenpreise, die die Energiekonzerne vor Investitionen in Kraftwerke zurückschrecken ließen. Selbst wenn sie in Zukunft alle zur Stromproduktion benötigten CO2-Verschmutzungsrechte ersteigern müssen, wäre der weitere Betrieb alter und weniger effizienter Anlagen billiger als der Bau eines neuen Kraftwerkes. Damit die Konzerne dennoch in neue Kraftwerke investieren, will Gabriel ihnen mit Einnahmen aus dem Emissionshandel helfen. Die Behilfen sollen aber an Auflagen, wie zum Beispiel die technischen Standards oder die gleichzeitige Stillegung der alten Anlagen, gekoppelt werden.

Die Preise für Kraftwerkstechnik sind Branchenkreisen zufolge in den vergangenen drei Jahren um bis zu 25 Prozent gestiegen. Grund war die wachsende Nachfrage nach neuen Anlagen, vor allem in China und Indien, aber auch in den Golfstaaten, die den deutschen Unternehmen seit sechs Jahren Wachstum gebracht hatten. Auch für 2008 geht die Branche noch von einem 8-prozentigen Plus aus.

Allerdings könnte sich durch die weltweite Wirtschaftskrise die Marktsituation wieder ändern und die Position der Käufer stärken. Denn die Zurückhaltung der Banken bei der Kreditvergabe und die sinkende Nachfrage nach Energie dürften für weniger Investitionen sorgen, der deutsche Maschinen- und Anlagenbau rechnet für das kommende Jahr mit einer Stagnation.

Norbert Walter, Chefvolkswirt der Deutschen Bank, zeichnete auf der EnBW-Konferenz ein dramatisches Bild: „Wir werden unsere Emissionszielen näher kommen, als wir bisher geglaubt haben“, sagte er unter Verweis auf die sinkende Wirtschaftsleistung. Die Situation der Autoindustrie sei so schlecht wie seit zwei Generationen nicht mehr. Generell würden die Kosten für Kredite steigen, das wiederum werde die Investitionen in Klimaschutzmaßnahmen, wie die Sanierung von Häusern oder den Kauf sparsamerer Maschinen, erschweren. Es werde also länger dauern, bis die Klimaschutzpolitik zu Wachstumsimpulsen führen werde, sagte Walter. Dennoch sollte dieser Weg weiter verfolgt werden. Gleichzeitig forderte Walter aber die Bundesregierung zu beherzteren Schritten gegen die Krise auf, die auch innerhalb Europas miteinander abgestimmt werden müssen. Wenn in Großbritannien die Mehrwertsteuer gesenkt werde, können „wir nicht auf unseren Händen sitzen“, sagte Walter.

Ebenfalls ein ambitioniertes Vorgehen auf EU-Ebene forderte Gabriel für das europäsche Klimaschutzpaket, das am 11. und 12. Dezember in Brüssel von den Regierungschefs verabschiedet werden soll. Ob dies gelingt, ist aber noch offen. „Wenn es Europa nicht schafft, die unterschiedlichen Interessen auszugleichen, können wir die internationalen Klimaschutzverhandlungen gleich absagen“, sagte Gabriel mit Blick auf die nächste UN-Klimakonferenz, die am Sonntag in Posen beginnt. Sie soll die Verabschiedung einer Kioto-Nachfolgeregelung im kommenden Jahr in Kopenhagen vorbereiten. Gabriel zeigte sich optimistisch, dass ein Vertrag zu Stande komme, der aber noch Restfragen offen lasse. Diese könnten dann spätestens 2012 auf einem Treffen in Rio de Janeiro geklärt werden. STEPHAN KOSCH