montagskolumne: meinhard rohr zur lage der nation im spiegel seines wissens
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Der Zahn der Zeit hat wieder ein Jahr abgenagt: Der 1. Mai steht vor der Tür des Berliner Salons. Die Scheinwerfer von Polizei, Medien und Supermärkten beleuchten hell, grell und schnell einen zwielichtigen Bezirk: Kreuzberg. Ein vergessener Stadtteil, der nicht nur am Tag der Arbeit im Dunkeln liegt. Anders als Berlin-Mitte, das in, hip und trendy im Glanz der Neuen Mitte erstrahlt, muss das jetzt am Rand dahindämmernde Kreuzberg zu Kreuze kriechen und das brennende Joch linker Terrortouristen tragen. Auch 1968, als ich leider noch zu den Linken gehörte, reisten wir immer wieder in unbekannte Gebiete, Gegenden und Gemeinden. Wir aber schonten die Einwohner unserer Demonstrationsziele. Auch die Menschen in Kreuzberg müssen endlich geschützt werden. Notfalls mit dem Knüppel. Noch aber ist kein Balsam auf der Seele der gebeutelten Bürger in Sicht. Die Politiker, Behörden und Verantwortlichen können es nicht nur der Zeit überlassen, die öffentlichen Wunden zu heilen.

Diese Kolumne erscheint in loser, aber leider häufiger Folge.