Leuna-Affäre in Paris vor Gericht

Im französischen Schmiergeldprozess geht es ab heute um die angebliche Kohl-Mitterrand-Verbindung. Dem deutschen Geschäftsmann Dieter Holzer werden Betrug, Missbrauch von Unternehmensgeldern und Unterschlagung vorgeworfen

aus Paris DOROTHEA HAHN

Dass der Mineralölkonzern Elf den Zuschlag bei der Privatisierung der ostdeutschen Raffinerie Leuna und der Tankstellenkette Minol bekommen sollte, war auf der Spitzenebene längst beschlossene Sache. Präsident Mitterrand in Paris und Kanzler Kohl in Bonn hatten sich persönlich für diese französische Präsenz im vereinigten Deutschland ausgesprochen. Als politisches Zeichen. Paradoxerweise flossen in den Jahren 1992 und 1993 dennoch umgerechnet 47 Millionen Euro aus Schwarzgeldkassen von Elf auf Konten in Liechtenstein, in der Schweiz und in Luxemburg und in die Kassen eigens gegründeter Offshore-Gesellschaften und Stiftungen. „Honorare, um das Minol-Leuna-Geschäft anzubahnen“, versichern die einen. „Schmiergeld für das politische Räderwerk in Deutschland“, sagen die anderen.

Der Geschäftsmann Dieter Holzer weiß sicher mehr über dieses deutsch-französischen Geschäft. Er war im April 1992 von seinem langjährigen Bekannten, dem französischen Geheimdienstler Pierre Lethier, und von Verantwortlichen des Konzerns Elf dazu angeheuert worden, „Lobbying“ gegenüber der Kohl-Regierung und der Treuhand-Gesellschaft zu betreiben. Die Franzosen wählten ihn aus, weil er über gute Kontakte zu der CDU-Regierung in Bonn und in dem Bundesland Sachsen-Anhalt verfügte. Von heute an muss sich Holzer vor der 11. Strafkammer in Paris verantworten. Die Vorwürfe: betrügerische Geschäfte, Missbrauch von Unternehmensgeldern, Unterschlagung und Umleitung illegal abgezweigter Gelder. Er soll 24,4 Millionen Euro aus dem Minol-Leuna-Schmierpaket verbergen. Holzer ist einer von 37 Angeklagten im Pariser Elf-Prozess, der noch bis Juli dauern wird.

In der mehr als 1.000-seitigen Angeklageschrift befassen sich knapp 70 Seiten mit dem Zustandekommen der Minol-Leuna-Affäre. Sie nennen Figuren des öffentlichen Lebens, die auf die eine oder andere Art mit der Anbahnung des Minol-Leuna-Geschäfts befasst waren. Erwähnt werden unter anderem Minister und einstige CDU-Verantwortliche wie Carstens, Leisler Kiep und Waigel. Am häufigsten stießen die Untersuchungsrichter auf Ludwig Holger Pfahls, bis 1992 Staatssekretär im Verteidigungsministerium. In seinem Münchner Haus fand die Annäherung zwischen den Elf-Verantwortlichen und dem jetzigen Angeklagten Holzer statt. Mit Pfahls selbst haben die Richter nie sprechen können. Der einstige Spitzenpolitiker, Anwalt und spätere Manager bei DaimlerChrysler, auf dessen Konto 7,6 Millionen Euro aus der Elf-Schwarzgeldkasse geflossen sind, ist heute spurlos verschwunden.

Holzer behauptet heute, dass er hart für sein Elf-Honorar gearbeitet habe. Elf habe von ihm verlangt, er solle nicht nur die Konkurrenz bei dem Leuna-Minol-Geschäft ausschalten, sondern vor allem dafür sorgen, dass die französischen Investionen (in Höhe von von insgesamt 6 Milliarden Euro) mit mehr als 2 Milliarden aus deutschen Steuergeldern subventioniert würden. Das habe er erreicht, erklärt Holzer.

Die französische Justiz hingegen ist der Ansicht, dass es „keine reale Gegenleistung“ für die Schmiergeldüberweisungen gegeben habe. Und verdächtigt die Angeklagten sowohl der absichtsvollen Verhüllung von Geschäften als auch der persönlichen Bereicherung.

Ob Holzer einen Teil seiner Bezüge aus den Schwarzgeldkassen von Elf in Deutschland an die CDU und eventuell auch an andere Parteien und Gewerkschaften weiterverteilt hat, wie es bei der Anbahnung von Elf-Geschäften im Ausland Usus war, ist nicht Gegenstand des Pariser Prozesses.