Ein Schmierenstück

Polens Ministerpräsident Miller weist alle Korruptionsvorwürfe zurück. Angeblich ist er nur Opfer der „Rywin-Affäre“. Heute erneut Befragung

WARSCHAU taz ■ „In Polen kann man keine Gesetze kaufen“, versicherte Polens Ministerpräsident Leszek Miller am Samstag vor dem Untersuchungsausschuss des Parlaments und wies jeden Korruptionsvorwurf von sich. Er stehe nicht als Tatverdächtiger, sondern als Opfer der „Rywin-Affäre“ vor dem Untersuchungsausschuss. Heute muss er erneut aussagen.

Ende letzten Jahre hatte die liberale Tageszeitung Gazeta Wyborcza ein geheimes Tonbandprotokoll veröffentlicht. Chefredakteur Adam Michnik hatte das Band mitlaufen lassen, als der bekannte Filmprozent Lew Rywin ihm ein Schmiergeldangebot machte. Für 17,5 Millionen US-Dollar wollte Rywin dem Chefredakteur der Gazeta Wyborcza das Gesetz über die Neuregelung des Medienmarktes in Polen verkaufen. Das Gesetz sollte so abgefasst werden, dass der Zeitungsverlag ohne Probleme ins Fernsehgeschäft einsteigen konnte. Angeblich, so erklärte Rywin in dem Gespräch mit Michnik, seien der polnische Ministerpräsident Miller und eine nicht näher bezeichnete „Gruppe an der Macht“ in das „Geschäft“ eingeweiht. Miller erklärte nun, dass Michnik ihn unmittelbar nach dem Gespräch mit Rywin angerufen und gefragt habe, ob er hinter der Schmiergeldaffäre stecke. Dies habe er damals kategorisch von sich gewiesen, und dies tue er auch heute. Bei einer Gegenüberstellung im Büro des Ministerpräsidenten habe Rywin sich sofort von dem „Angebot“ zurückgezogen und immer wieder fassungslos gestammelt: „Soll ich nun Selbstmord begehen? Ich bin erledigt.“ Da Recherchen über die „Gruppe an der Macht“ nichts erbrachten, entschloss sich Michnik zur Veröffentlichung des Tonbandprotokolls. Daraufhin begannen die Staatsanwaltschaft und der parlamentarische Untersuchungsausschuss mit Ermittlungen.

Außer der Erkenntnis, dass in Polen Unternehmer und Politiker in enger Übereinstimmung handeln, haben die Untersuchungen bislang nichts zutage gefördert. Das Vertrauen seiner Wähler hat der polnische Regierungschef allerdings längst verloren. Umfragen zufolge unterstützen nur noch 10 Prozent seine Regierung. GABRIELE LESSER