Serbiens Saubermann tritt in die erste Reihe

Der Verteidigungsminister von Serbien-Montenegro Boris Tadić wird neuer Chef der Demokratischen Partei Serbiens

„Den Boris werde ich wählen, der ist ja so hübsch“, erklärte eine Studentin in einer Umfrage vor den vorgezogenen Parlamentswahlen in Serbien Ende Dezember. Als Spitzenkandidat der „Demokratischen Partei“ (DS) lockte der als Frauenliebling bekannte, gut aussehende, fesch gekleidete 46-jährige Tadić einen Teil der sonst politisch gleichgültigen weiblichen Bevölkerung an die Urnen. Und rettete, was es noch zu retten gab in der von Korruptionsaffären erschütterten DS.

Viele Beobachter und Akteure der politischen Szene in Serbien waren überrascht, als der Ex-Kommunikations- und amtierende Verteidigungsminister das Steuer der DS übernahm. Der „Saubermann“ machte nicht den Eindruck eines besonders ambitiösen Mannes. Er kämpfte nicht um Funktionen, er nahm, was man ihm zuteilte.

Obwohl seit ihrer Gründung 1990 Mitglied der DS, obwohl im Kampf gegen das Regime Milošević stets in der ersten Reihe, ließ sich Tadić nach der Wende im Oktober 2000 in der Partei marginalisieren. Er war nicht im ersten Team der Mannschaft des vor einem Jahr ermordeten serbischen Regierungschefs und DS-Chefs Zoran Djindjić. Dem moderaten, philosophisch veranlagten Intellektuellen zog Djindjić Draufgänger vor, die ihm für operative Aufgaben in der chaotischen Post-Milošević-Zeit geeigneter schienen.

Ohne Djindjić stürzte die regierende Parteispitze in zahllose Skandale. Eine Strategie der von der DS dominierten Regierung war nicht erkennbar. Tadić’ Parteikontrahent Zoran Zivković verlor als Premier die Parlamentsmehrheit. Die unter Djindjić als „Reformträger“ geltende DS kam in den Ruf einer „korrupten“ Partei. Man fürchtete gar die Fünfprozentmarke nicht zu überschreiten.

In dieser Situation sah der DS-Hauptauschuss in Tadić den Erlöser, der in keine Affäre verwickelt war. Mit welcher Leichtigkeit Tadić am Sonntag zum Parteichef gewählt wurde, zeugt von einer subtilen, aber harten innerparteilichen Arbeit. Wer den Vater von zwei Töchtern für naiv hielt, hatte sich getäuscht.

Wie Djindjić ist auch Tadić ein Politiker von europäischer Prägung und wird dem erwünschten Image der DS gerecht. Er möchte sich dem herrschenden Provinzialismus widersetzen und wendet sich vor allem an die jüngere, städtische Bevölkerung. Mit seinem Charme gewinnt er aber auch ältere Wähler.

In der ersten Rede als DS-Vorsitzender sagte Tadić dem „Konservatismus“ in Serbien den Kampf an. Die DS werde nicht mit den Milošević-Sozialisten (SPS) und der ultranationalistischen Serbischen Radikalen Partei (SRS) zusammenarbeiten. Die DS werde auch die künftige Minderheitsregierung nicht unterstützen, solange die SPS diese im Parlament toleriere. Tadić verkörpert die einzige sozialdemokratische Option in Serbien. In dem von rechts-nationalistischen, patriotischen und konservativen Parteien dominierten Land ist die Entwicklung der proeuropäischen DS von großer Bedeutung. ANDREJ IVANJI