„Medien verzerren das Bild“

Der Sozialpädagoge Mounir El Seri warnt nach der Verhaftung eines 17-jährigen Deutsch-Libanesen als Geiselnehmer vor Vereinfachung und Verallgemeinerung

taz ■ Mounir El Seri hat einen Feind. Die Medien. „Die verzerren das Bild von arabischen Jugendlichen in der Öffentlichkeit“, sagt der Sozialpädagoge, ein eingebürgerter Palästinenser, verheiratet mit einer Libanesin. El Seri weiß, wovon er spricht: Jahrelang war er die einzige hauptamtliche pädagogische Kraft im Kattenturmer Jugendzentrum „Dar Al-Salaam – Friede“, das der Verein Orient-Okzident betreibt. Hier fanden vor allem kurdisch-libanesische Jugendliche eine Heimat. Doch seit Januar gibt es in dem sozialen Brennpunkt nur noch Honorarkräfte – zwölf Stunden die Woche.

El Seris Stelle, bisher aus öffentlichen Geldern „mischfinanziert“, ist ausgelaufen, weil die ohnehin knappen Gelder in andere Stadtteile umverteilt werden. So will es das „Strukturanpassungskonzept“. Die einzige Anlaufstelle für die von Justiz und Polizei stets als „Problemgruppe“ charakterisierte Gruppe der libanesisch-kurdischen Jugendlichen ist damit quasi geschlossen. „Man schimpft über diese jungen Menschen und grenzt sie aus, aber man tut nichts für sie“, sagt El Seri nüchtern. Politikerreaktionen und Medienberichte nach der Bus-entführung durch einen 17-jährigen Libanesen würden dies erneut beweisen.

„Man muss sich als Araber ständig erklären“, nimmt El Seri arabische Jugendliche in Schutz. Gleich nach „der schrecklichen Entführung“ habe er zu hören bekommen, dass Einwanderer sich anpassen müssten, schließlich biete Deutschland ihnen viel. „So eine Haltung ist jungen Menschen gegenüber nicht ganz fair“, sagt El Seri. „Auch junge Muslime können Probleme haben – und rasten mal aus.“ Ohne den Fall zu kennen, in dem ja bekanntlich die Staatsanwaltschaft ermittele, wolle er klarstellen, dass die rund 7.000 libanesischen Staatsbürger in Bremen, von denen die meisten Mitte der 80er Jahre vor dem Bürgerkrieg im Libanon geflohen waren, die allermeisten „sich enorm anpassen“. Viele von ihnen junge Leute – wie auch bei den rund 1.000 Bremer Kurden, die aus dem Libanon kamen, aber dort als Flüchtlinge nie die Staatsangehörigkeit hatten.

Die Deutschen dürften nicht mit zweierlei Maß messen, mahnt El Seri. „Der Amokläufer von Erfurt hat auch nur seine Prüfung verhauen und kam bei Mitschülern nicht an.“ Kurzschlusshandlungen blieben nicht nur deutschen Jugendlichen vorbehalten. Aber vielleicht gebe es in der arabischen Welt einen anderen Ausdruck derselben Verzweiflung – oder derselben Abscheu. Solange die Ermittlungen nicht abgeschlossen sind, appelliere er dafür, auch das Alter des jugendlichen Geiselnehmers zu bedenken – und es sich mit Vereinfachungen über „arabisch-muslimische Gotteskämpfer“ nicht zu einfach zu machen. ede