„Dialog wird nicht zurückgedreht“

Die Entführung eines Linienbusses schockiert Bremer Muslime. Der Dialog zwischen den Religionen und zwischen Muslimen müsse verstärkt werden. „Wir müssen gestehen, dass wir nicht alle erreichen“. Das Rathaus reicht weiter die Hand

„Politiker müssten wissen, dass das die Tat eines Amateurs war“

taz ■ Der Bremer Innensenator Kuno Böse (CDU) ruderte gestern vorsichtig zurück. Er habe nicht ausschließen wollen, dass der als Geiselnehmer festgenommene 17-jährige eingebürgerte Ali Marwan T. möglicherweise verwirrt sei, stellte er klar. Doch sprächen die „Fakten“ – gemeint sind zwei während der Entführung am Freitag vom Geiselnehmer herausgegebene Briefe – für einen „eindeutig islamistischen Hintergrund“. Die Staatsanwaltschaft verhängte unterdessen eine Nachrichtensperre, um weitere Ermittlungen über die Tatmotive des minderjährigen Sohnes libanesischer Einwanderer nicht zu gefährden. Dessen Angehörige betonen: „Er ist noch ein Kind.“ Ali Marwan T. hätte nächstes Jahr das Fachabitur machen sollen.

„Wir halten uns an die Spielregeln“, gab sich gestern auch der Sprecher des Senats im Rathaus, Klaus Schloesser, zugeknöpft. Alle Ermittlungen lägen in der Hand der Justiz. Das Rathaus folge dem Expertenrat – wie bereits am Freitag, als der Entführer vor dem unblutigen Ende der Geiselnahme gefordert hatte, Bürgermeister Henning Scherf (SPD) als Vermittler einzuschalten.

Dass vor allem die Polizei diese Vermittlung abgelehnt hatte, um dem Entführer nicht eine zusätzliche Bühne zu bieten, will Schloesser nicht bestätigen. Auch jede Spekulation oder Häme über „Scherfs muslimische Freunde“ wies er als unangebracht zurück.

Warum der junge Muslim, der sich selbst als Gotteskrieger bezeichnete, ausgerechnet den Bürgermeister als Vermittler forderte, wisse niemand. „Ob das ist, weil Scherf oft in der Zeitung steht oder weil er sich auch mit Muslimen trifft – darüber will ich nicht mutmaßen“, so Schloesser. Keinesfalls werde die Tat, deren Hintergründe man nicht kenne, den als „Bremer Modell“ bekannten Dialog verschiedenster Religionen beeinträchigen.

„Dieser Dialog fußt auf Vertrauen und Respekt vor demokratischen Grundregeln“, betonte Schloesser. Dass bei rund 40.000 Muslimen in Bremen nicht auszuschließen sei, dass Einzelne sich zu Hasstiraden hinreißen ließen, sei leider nicht zu ändern. „Der Dialog wird deshalb nicht zurückgedreht.“

„Der Dialog muss sogar verstärkt werden“, fordert Abdulkerim Sari, Sprecher der in der Fatih-Moschee angesiedelten Islamischen Föderation Bremen (IFB). Die beteiligten Muslime müssten eingestehen, dass sie bestimmte Personen oder Personenkreise offenbar nicht erreichen könnten. Dass ausgerechnet Bremen erst mit dem „Bremer Taliban“ und nun mit der offenbar religiös motivierten Geiselnahme traurig berühmt werde, müsse Muslimen zu denken geben. Dabei sei es falsch, die Abu Bakr Moschee, in der beide „Gotteskrieger“ gebetet hatten, als Hochburg des islamistischen Terrors darzustellen. Schon der amateurhafte Tatverlauf lasse eine solche Interpretation kaum zu. Politiker, die anderes andeuteten, müssten dies wissen. ede

siehe auch Bericht Seite 9