berliner szenen Im Marlboro-Casino

Das Leid der Jugend

Sein Gesicht ein schöner Regenbogen, der schmale Körper beschützt von Kapuzenpullover und tiefer Hose. Der Junge, vielleicht 17, kniet vor dem Mädchen. Liebesglanz in den Augen. Er will neben sie. Den Arm um sie legen, sich anlehnen. Küssen natürlich auch. Und er kämpft. Gegen die drei Jungs, die neben ihr sitzen, sie bewachen und teilnahmslos das Geschehen verfolgen: das Zittern seiner Finger, die den Joint halten, den Mädchen-Mund, der laut spricht und versucht, ihn kokett loszuwerden, sich aber nicht ganz sicher ist. Eine Qual.

Wir sind auf einer Streetlife-Party. Genau genommen handelt es sich um ein Event. Ein Marlboro-Event. Verzweifelt hat eine Agentur versucht, etwas Las Vegas in die Backfabrik in Prenzlauer Berg zu zaubern. „Full House Club“ soll ein Casino ohne Risiko sein, langfristig beworben in Anzeigen und auf Plakaten in der Stadt. Dass Glücksspiel und Risiko siamesische Zwillinge sind, ist den Gästen egal. Sind auch alle zu beschäftigt. Weg von der Bar, hin zur Bar, zum Black Jack, zur Bar. Die Mädchen sehen extrem Chicolina aus. Britney Spears aus Treptow und Grace Kelly aus Spandau zeigen sich. Die Jungs sind angeknallt vom Bier und Wodka-Cola, sie wollen, dass es noch mehr knallt, bald. Unter dem bunten Discolicht studentischer Ausdruckstanz. Zwei Mädchen in Schwarz rocken und lassen der Sau freien Lauf. Spaß und Verzweiflung dampfen durch den Raum.

Der Junge im Kapuzenpullover ist immer noch dran. Er kauert neben ihr. Seine Gesten versprechen den Mädchen-Himmel: ein Haus, ein Kind, ein Baum. Viel zu viel für eine Nacht, die vielleicht seine erste ist. Tapfer wehrt er sich gegen die Ablehnung. Dann steht sie auf und geht. Mit schnellem Schritt.

     HENNING KOBER