Pakistanische Großoffensive gegen Taliban

Die bisherige Strategie war wenig erfolgreich. Hinter der neuen Offensive vermuten Beobachter Druck aus Washington

DELHI taz ■ Pakistans Armee hat am Montag im Stammesgebiet an der afghanischen Grenze eine Offensive gegen Taliban- und Al-Qaida-Kämpfer begonnen. Es ist das erste Mal nach der Schlacht um Ussama Bin Ladens grenznahe afghanische Bergfestung Tora Bora Ende 2001, dass die Armee so viele Truppen – 12.000 Mann –einsetzt. Das Operationsgebiet ist eine gebirgige, dünn besiedelte und arme Wüstenregion in Südwasiristan, dem südlichsten Stammesbezirk der Nordwestlichen Grenzprovinz (NWFP).

Ziel der Offensive, bei der laut Pakistans Informationsminister Skeikh Rashid auch Helikopter zum Einsatz kommen, ist die Einkreisung mutmaßlicher Verstecke der Taliban. Auf der afghanischen Seite warten bereits US-Truppen, um sie bei der Flucht über die Grenze zu stellen. Die Wahl des Einsatzgebiets hat laut dem Sprecher der US-Truppen in Afghanistan nichts mit einem Bericht des britischen Sunday Express zu tun, nach dem Bin Laden und Taliban-Chef Mullah Omar dort auf einem Gebiet von 16 Quadratkilometern eingekesselt worden seien.

Der Einsatzbefehl kam, nachdem die bisherige Armeestrategie wenig gefruchtet hatte. Um die auf ihre Autonomie pochenden Stämme nicht unnötig gegen die Zentralmacht aufzubringen, war zunächst mit einer Mischung von Lock- und Drohgebärden ihre Mitarbeit gesucht worden. Die Militärs griffen auf ein bewährtes Rezept intertribaler Konfliktregelung zurück. Die Stämme erhielten eine Liste von Verdächtigen samt Ultimatum, sie auszuliefern. Falls sie das nicht taten, müssten sie statt mit Geschenken – namentlich Straßen und Spitälern – damit rechnen, dass die Armee selbst in ihre Gebiete marschieren würde. Doch das brachte nur wenige Gesuchte ins Netz.

Der Zeitpunkt des Armee-Einsatzes mag operationale Gründe haben. In Pakistan wird aber auch spekuliert, dass er nicht zufällig so kurz nach der Aufdeckung des Skandals um den Schmuggel von Nukleartechnologie kommt. Militärmachthaber Pervez Musharraf hatte den Hauptverantwortlichen Abdul Qadeer Khan begnadigt, und die USA hatten Musharrafs Behauptung, die Armee habe davon nichts gewusst, akzeptiert. In Pakistan wird spekuliert, dass Washington dafür nun den Preis einfordert – eine engere Zusammenarbeit bei der Verfolgung von al-Qaida und Taliban. BERNARD IMHASLY