Zweite Runde im Atomstreit mit Nordkorea

Bei den heute beginnenden Sechsergesprächen ist sogar umstritten, woraus Nordkoreas Atomprogramm besteht

PEKING taz ■ Sie tragen dunkle Mäntel und zeigen sich der Öffentlichkeit nur in Hoteleingängen. Dennoch stehen die sechs Delegationsleiter aus den USA, Nordkorea, Südkorea, Japan, Russland und dem gastgebenden China im Zentrum der Weltöffentlichkeit, wenn sie heute in Peking unter Beobachtung von 600 Journalisten die zweite Runde der so genannten Sechsergespräche um das nordkoreanische Atomprogramm eröffnen.

Kein Durchbruch ist in Sicht. Kein Politiker, der große Worte führen kann, sitzt am Verhandlungstisch. Stattdessen bleiben die Diplomaten unter sich. Aber allein, dass sich hier die Vertreter der vier namhaftesten Großmächte überhaupt treffen und es dabei nicht um Symbolik, sondern das harte Atomgeschäft geht, erregt die Gemüter. Werden hier sozusagen im Vorbeigehen neue weltpolitische Spielregeln erfunden? Finden China und die USA über Nordkorea zu größerer Gemeinsamkeit? Gelingt es Japan, seine politische Isolation in Ostasien zu durchbrechen? Es sind die ungeklärten Fragen am Rande, die den Pekinger Diplomatenzirkus in den nächsten Tagen zu einem Weltereignis machen. Gerne wäre die Europäische Union auch dabei. Doch es scheint, als hätte sich bisher nur Nordkorea für ihre Teilnahme eingesetzt.

Die Worte der Nordkoreaner aber sind mit Vorsicht zu genießen. Bei der Abreise von der ersten, ergebnislosen Sechserrunde im vergangenen August behaupteten sie, eine zweite Gesprächsrunde sei unnötig. Jetzt sind sie doch wieder dabei – sogar mit einem neuen Delegationsleiter namens Kim Kye-gwan. Sein Vorgänger, ebenfalls Vize-Außenminister mit Namen Kim, hatte sich mit den Japanern angelegt und ihnen lautstark nahe gelegt, den Verhandlungstisch zu verlassen. Der neue Kim soll es nun leiser angehen lassen. Auf eine „bessere Atmosphäre“ käme es an, riet Chinas Delegationschef.

Zumindest zwei klare Ziele haben sich die Gastgeber gesetzt: Am Ende der Runde soll eine Erklärung aller sechs Länder stehen und eine gemeinsame regelmäßig tagende Arbeitsgruppe für Detailverhandlungen ins Leben gerufen werden. Das klingt nach wenig, wäre aber viel. Denn bisher erscheinen die Positionen der Hauptkontrahenten völlig unvereinbar. So fordern die USA eine „vollständige, nicht rückgängig zu machende und verifizierbare“ Beseitigung des nordkoreanischen Atomprogramms. Nordkorea bietet dagegen nur ein Einfrieren seines Atomprogramms an – und auch das nur im Austausch für diplomatische Anerkennung und wirtschaftliche Hilfslieferungen.

Zwar ist die nordkoreanische Position in den letzten Wochen unter Druck geraten. Dafür sorgten die Enthüllungen des pakistanischen Atomwissenschaftlers Abdul Qadir Khan, der gestand, Geheimnisse für den Atombombenbau aus angereichertem Uran an Nordkorea geliefert zu haben. Das schien eine Behauptung der US-Geheimdienste zu untermauern, dass Nordkorea neben seinem bisher aus Plutonium von Atomreaktoren basierenden Programm eine separate Urananreicherung unterhalte, die ebenfalls der Herstellung von Atomwaffen diene.

Doch selbst wenn sich dies bestätigen würde, Nordkorea hatte dies nach US-Angaben bereits einmal gestanden, ist auch Washingtons Position inzwischen schwächer. Zu offensichtlich sind die USA aufgrund der Schwierigkeiten im Irak und der bevorstehenden Präsidentschaftswahlen derzeit nicht mehr an einer Zuspitzung des Konflikts mit Nordkorea interessiert. Was kann die Nordkoreaner also davon abhalten, auf Zeit zu spielen und auf einen weniger konfrontativen US-Präsidenten im Herbst zu hoffen? Aber es geht ja jetzt nicht nur um Nordkorea. GEORG BLUME

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