Zwei Peronisten in die Stichwahl

In Argentinien entscheiden der neoliberale Expräsident Carlos Menem und der neokeynesianische Peronist Néstor Kirchnerdie erste Runde der Präsidentschaftswahl für sich. Die beiden gehören zur gleichen Partei, doch sind sie sich spinnefeind

aus Buenos Aires INGO MALCHER

Es kam für ihn kein anderer Ort in Frage: Carlos Menem versammelte am Wahlabend seine Anhänger im Hotel Presidente von Buenos Aires. In der Bar der Nobelabsteige mit dem symbolträchtigen Namen tummelten sich blondierte Frauen und sonnengebräunte Männer, berühmte TV-Moderatorinnen und Starfriseure, es roch nach Chanel und herben Zigarren – ein Déjà-vu aus der Hochzeit der Menem-Regierung (1989–1999), die für Argentiniens Schöne und Reiche eine Fiesta war.

Doch das Hotel Presidente war allzu vorschnell gebucht. Sein selbst gestecktes Ziel, im ersten Wahlgang wieder Präsident zu werden, hat Menem verfehlt. Trotzdem reichen ihm nach Auszählung von 98 Prozent der Stimmen seine 24,2 Prozent zum Sieg. Knapp hinter ihm liegt der Gouverneur der in Patagonien gelegenen Provinz Santa Cruz, Néstor Kirchner. Für ihn stimmten 22 Prozent der 25,5 Millionen Wahlberechtigten. Damit müssen beide am 18. Mai in die Stichwahl, für Menem „reine Formsache“.

Vom Hotelbalkon rief er: „Wir sind hier als Gewinner, wir haben die Aufgabe, Argentinien aus der Misere zu holen.“ Vor der Presse begründete er, warum er so siegessicher ist: „Bei allen Wahlen, bei denen ich angetreten bin, habe ich triumphiert, und ich werde auch dieses Mal triumphieren.“ Das zu verhindern, hat sich Kirchner vorgenommen. Für ihn stehen in der nächsten Runde zwei Politikmodelle zur Wahl: „Das Modell der Verschuldung und Korruption oder das Modell der Arbeit und Produktion.“ Während Menem zurückwill zum Marktradikalismus der 90er-Jahre, will Kirchner die nationale Industrie stärken und den Kampf gegen die Armut aufnehmen.

Kirchner wurde vom scheidenden Übergangspräsidenten Eduardo Duhalde in den Ring geschickt, um Menem auszubremsen. Duhalde und Menem sind sich spinnefeind, dabei sind sie beide wichtige Figuren der Justizialistischen Partei (PJ) der Peronisten. Sie kämpfen um die Führung der Partei und haben sie damit gespalten. So kandidierte mit Adolfo Rodríguez Saá noch ein weiterer Peronist, der mit 14,1 Prozent der Stimmen aber nur auf Platz fünf landete.

Rodríguez Saá war sieben Tage lang Präsident, als Argentinien zum Jahreswechsel 2001/2002 im Chaos versank. Am Sonntag gingen die ersten Wahlen nach dem turbulenten Tagen vor 16 Monaten absolut ruhig über die Bühne. Die Wahlbeteiligung war mit fast 90 Prozent überraschend hoch, was nur zum Teil auf die Wahlpflicht zurückzuführen ist. Keine drei Prozent der Wähler stimmte mit „ungültig“, auch das ein Rekord.

Vielleicht lag es daran, dass Menem polarisierte und die Gegner der Peronisten in Elissa Carrió eine Alternative gefunden zu haben glaubten. Die Kämpferin gegen die Korruption der „Menem-Mafia“ (Carrió) ist die eigentliche Siegerin. Mit einem Wahlkampfbudget von umgerechnet 133.000 Euro und eigener Minipartei ohne Apparat erstritt sie 14,2 Prozent der Stimmen – immerhin Platz vier. Carrió verzichtete auf eine bunte Plakatkampagne, reiste stattdessen unermüdlich durchs Land und machte Politik mit dem Herzen statt mit der Werbeagentur.

Carrió und der drittplatzierte Ricardo López Murphy müssen jetzt entscheiden, wen sie im zweiten Wahlgang unterstützen. Für Carrió steht fest: „Wir werden keine Allianzen bilden.“ Einerseits. Andererseits: „Wir sind immer gegen Menem.“ López Murphy, der ideologisch dem neoliberalen Menem nahe steht, ihn aber moralisch verachtet, will keine Empfehlung abgeben.

Die Entscheidung dürfte vielen schwerfallen, sind doch Kirchner und Menem bei aller Feindschaft stramme Peronisten, die sich darum streiten, wer legitimer Enkel des Caudillos Juan Domingo Perón ist. Sollte Menem in Runde zwei erstmals bei einer Wahl unterliegen, will sich der 72-Jährige dennoch nicht zurückziehen: „Dann kandidiere ich eben 2007 noch mal.“

meinung SEITE 12