Armut schützt vorm Blechen nicht

Seit die Uni Köln Bescheide über Studiengebühren verschickte, reißen im Studierendensekretariat und beim AStA die Schlangen der Ratsuchenden nicht ab. Am 1. März sind für viele 650 Euro fällig

von Jessica Düster

„Im Moment ist es hier jeden Tag so voll“, sagt Jens Kuck, Leiter des Dezernats für Studierendenangelegenheiten der Uni Köln. Dennoch sind an diesem Mittwoch Morgen nur die Hälfte der 11 Schalter geöffnet, wovon einer ausschließlich für Informationen zu den Studiengebühren und Härtefälle reserviert ist. Seitdem die Uni vor zwei Wochen die Gebührenbescheide über 650 Euro an über 20.000 ihrer Studierenden verschickte, sind noch viele Fragen offen, Bescheinigungen müssen besorgt, Anträge ausgefüllt werden.

Stefanie Schultze * hat gerade ihre Diplomarbeit in Geographie abgegeben, ist aber trotzdem gebührenpflichtig, weil ihre Abschlussprüfungen noch ausstehen und sie weiter eingeschrieben bleiben muss. „Jetzt trifft es mich also doch“, wundert sie sich. Timothi Maywood studiert im Zweitstudium auf Lehramt. Er hat zwar bereits einen Magisterabschluss, aber nach über 50 erfolglosen Bewerbungen entschied er sich neu. Jetzt bekam auch er den Bescheid über 650 Euro. „Ich finde das eine Sauerei“, empört sich Maywood. „Da heißt es immer, es werden Lehrer gebraucht, und jetzt soll ich dafür zahlen.“ Er wolle der „Gesellschaft ja nicht auf der Tasche liegen, sondern was zurückgeben“.

Klemens Himpele, Projektleiter Bildungspolitik des AStA der Uni Köln, ist in den Beratungsstunden nur mit Sonderfällen konfrontiert. Das AStA-Team hat nach dem Versand der Gebührenbescheide Sonderschichten einlegen müssen, unzählige Studierende rufen an oder mailen. In die Beratung kommen hauptsächlich diejenigen, bei denen die Gebühr zu einer „unbilligen Härte“ führen würde.

Die liegt in der Regel dann vor, wenn man an einer „studienzeitverlängernden Folge als Opfer einer Straftat leidet“ oder sich in einer „unverschuldeten wirtschaftlichen Notlage“ befindet, so der Text des Härtefallantrags. Aber: „Nur arm reicht nicht“, erklärt Klemens Himpele. Dazu kommen muss eine besondere familiäre Belastung oder man muss kurz vor der Abschlussprüfung stehen. Das AStA-Team hat viele teils erschütternde Biographien kennengelernt. „Die kommen erst mal zu uns“, sagt Himpele. „Denn wer erzählt schon gerne im Studierendensekretariat, dass er HIV-positiv ist oder einen Härtefallantrag wegen Vergewaltigung stellen will.“ Neben Studierenden mit schweren Krankheiten kämen auch erstaunlich viele Opfer sexueller Gewalt in die Beratung. „Hier brechen die Leute teilweise weinend zusammen“, erzählt der AStA-Referent.

Ein Hauptproblem stellt laut Klemens Himpele die Kürze der Zeit dar. Jeder, der nun einen Gebührenbescheid bekommen hat, müsse die 650 Euro bis 1. März erst einmal zahlen, auch wenn er laut Gesetz gar nicht gebührenpflichtig ist – sonst droht die Zwangsexmatrikulation. Allen betroffenen Studierenden rät Himpele: „Auf jeden Fall Widerspruch einlegen!“ Die ASten in Nordrhein-Westfalen sammeln die Fälle und strengen dann Musterverfahren an. Vor dem Verwaltungsgericht Münster etwa seien bereits 26 Klagen eingereicht worden.

Wegen der starken Nachfrage bietet der AStA heute zwischen 13 und 17 Uhr eine weitere Beratung an: in der Universitätsstraße 16, im ersten Stock.

* Name verändert