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: HELMUT HÖGE über die Kampagne „Vuck Fattenfall“

Auge um Auge in der Lausitz

Die Lausitzer Braunkohlenbagger des schwedischen Staatskonzerns Vattenfall nähern sich immer mehr den sorbischen Dörfern Horno und Lakoma – und im Vorfeld machen seine Mitarbeiter bereits Tabula rasa: Ungeachtet der Tatsache, dass in den beiden Orten noch Menschen wohnen, die sich weigern, umgesiedelt zu werden.

In Lakoma ist es eine Gruppe junger Leute, von denen zwei (Robert und Franziska) nun – seit dem 19. 2. – sogar in einen unbefristeten Hungerstreik getreten sind, wobei die Polizei sie erneut belästigte. In Horno ist es das alte Ehepaar Domain und ihr Mieter Michael Gromm. Sie kämpfen vor allem mit juristischen Mitteln, um ihre Enteignung und Vertreibung aufzuhalten.

Vattenfall versucht demgegenüber, ungeachtet der schwebenden Verfahren, vollendete Tatsachen zu schaffen: So sind in Horno bereits über 20 Häuser platt gemacht, die meisten Toten auf dem Dorffriedhof umgebettet und seit dem 23. 2. alle Alleebäume an der Dorfstraße und am Dorfteich gefällt worden. Außerdem wurden ohne Not die Obstbäume auf den Privatgrundstücken umgerissen, damit die Hornoer nicht noch einmal – zur Ernte im Herbst – zurückkehren.

Den gleichen Zweck verfolgt auch der Vattenfall-Wachschutz vor Ort, der zwar nicht den Plünderern den Weg in die leer stehenden Häuser versperrt, dafür aber alle Fotografen und Filmteams wegscheucht: In den letzten Tagen waren das die Mitarbeiter vom schwedischen und dänischen Fernsehen sowie eine Filmerin aus München und eine Fotografin vom epd.

Während das Ehepaar Domain, das sich nicht von Vattenfall aus Horno rauskaufen lassen will, erst einmal auf seine zweite Anhörung vor dem Landesbergamt in Cottbus wartet, lässt der Hornoer Ehrenbürger Gromm bei der Enteignung seines Grundstücks derzeit prüfen, ob Vattenfall dabei nicht den Tatbestand der Urkundenfälschung erfüllte: In einer ersten Stellungnahme zu deren Enteignungsantrag schrieb er, dass sich das Entschädigungsangebot des schwedischen Konzerns in Höhe von 34 Euro (!) nicht auf sein von drei Ahornbäumen umsäumtes „Gromm-Dreieck“ beziehe, sondern auf ein viereckiges Grundstück abseits davon, das aus einem Stück Weg besteht.

Der Vattenfall-Sachverständige hatte zuvor nämlich nicht die Lage des „Gromm-Dreiecks“ ermittelt, sondern nur den Wert – anhand einer falsch markierten Karte von Vattenfall. Erst danach war dem Konzern eingefallen, dass es sich ja um ein Dreieck handeln musste. Er ließ sich einen neuen Auszug aus dem Katasteramt schicken, auf dem statt eines viereckigen nun ein dreieckiges, willkürlich ermitteltes Grundstück eingezeichnet war.

Diese neue Karte legte der Braunkohlenkonzern seinem Antrag auf Enteignung bei. So steht es in Gromms Stellungnahme an das Landesbergamt. Vattenfall sollte darauf bis zum 20. 1. antworten. Ob das geschah, weiß Gromm nicht, da die zuständige Beamtin im Bergamt angeblich krank ist und das Schreiben bisher weder bearbeiten noch an Gromm weiterleiten konnte. Es ist also durchaus möglich, dass der Bergbaukonzern darin bereits das Fällen aller Hornoer Bäume angekündigt hat, Gromm davon jedoch nichts erfuhr. Erbost wandte er sich daraufhin am 23. 2. telefonisch an den für die Horno-Umsetzung zuständigen Vattenfall-Mitarbeiter Dr. Dähnert, der sich jedoch verleugnen ließ, so dass Gromm ihm einen zornigen Brief zufaxte: „Ich möchte Ihnen in aller Deutlichkeit mitteilen: Falls Sie auch die Bäume auf meinem Grundstück, dem ‚Gromm-Dreieck‘ direkt vor dem Haus des Ehepaars Domain, fällen, werden Sie meine volle Wut zu spüren bekommen – in einer Intensität und mit einer Öffentlichkeitswirksamkeit, die Ihr Unternehmen bisher noch nie erlebt hat. Wenn Sie mir den Fehdehandschuh vor die Füße werfen, werde ich ihn aufheben. Aber dann wird es Auge um Auge gehen! Verfolgen Sie deshalb besser den von Ihnen schon eröffneten Verfahrensweg.“

Auch hierzu mochte sich Dr. Dähnert bisher nicht äußern, dafür mobilisierte der Streit in Horno ebenso wie der Hungerstreik in Lakoma schon mal die Presse.