Amerikana heute

Alte Hasen des Jazz gehen auf Folk-Spurensuche: Charlie Haden und Pat Metheny in der Musikhalle

Musikkritiker haben es nicht leicht. Sie müssen einordnen, kategorisieren und Genres erfinden. Die Medienwelt verlangt Zuordnungen und der Leser Übersicht, selbst unzulängliche. Wie gut ist es da, wenn die Zuordnung ausnahmsweise von den Künstlern selbst über- und vorgenommen wird – zumeist verweigern die sich aus gutem Grunde dem Öffnen von Schubladen. Nicht so Charlie Haden. Der US-Bassist liefert für sein Duo mit dem Gitarristen Pat Metheny und ihrer beider Arbeit Missouri Sky gerne die Genrebezeichnung „Contemporary impressionistic americana“. Und hat durchaus Recht damit.

Was die beiden alten Hasen des Jazzbusiness nämlich vor gut fünf Jahren unter diesem Titel als Duoalbum veröffentlichten und nun live präsentieren, ist zwar Jazz. In ihrer sehr offenherzigen Auffassung aber bedurfte die Musik dennoch einer anderen, offeneren Kategorie. Denn Countrysongs aus den 30ern oder Filmmusik von Ennio Morricone sind für den ein oder anderen Jazzfreund vielleicht doch zuviel. „Unsere Auswahlkriterien für die Songs“, bringt Haden es auf den Punkt, „waren einfach schöne Melodien und Akkorde, die uns inspirierten.“

So ist Missouri Sky also Jazz und folglich eben, weil mitnichten rückwärtsgewandte US-Hochkulturbewahrung, zeitgenössische Amerikana. Haden und Metheny besinnen sich dabei auch auf Wurzeln, die im Jazz eher verhalten mitschwingen und am Beginn seiner Geschichte zu verorten sind: wo Folk neben Gospel und Blues die Ursuppe bildet.

Haden, der wie Metheny im ländlichen Missouri aufwuchs, spiegelt in den Fremd- und Eigenkompositionen von Missouri Sky auch seinen ganz eigenen Werdegang und Musikkosmos wider. Weiß man, dass der spätere Sideman von Ornette Coleman und Don Cherry – also einer der großen Avantgardisten der 60er und 70er Jahre – in Jugendjahren in den täglichen Radiosendungen seiner Eltern Countrylieder sang, löst sich ein scheinbarer Widerspruch zwischen Country und Jazz auf.

Was bleibt, sind Melodien, Songs und Stimmungen, die in der kargen Instrumentierung von Kontrabass und akustischer Gitarre ihre Wirkung entfalten. Auch wenn sich Gitarrenvirtuose Metheny seine esoterischen Effekte nicht immer verkneifen kann: Der Musik tut es keinen Abbruch. Haden und Metheny tragen ihren Teil zum Great American Songbook bei.

GERD BAUDER

Mittwoch, 30. April, 20 Uhr, Musikhalle