Auf dem Trampolin

Zupackend beim letzten Abo-Konzert: Renes springt die Synkopen und schlägt eine Bresche für Hector Berlioz

Manchmal meint man, Bremens jungem Generalmusikdirektor Lawrence Renes ein eigenes Gitter um sein Dirigentenpodest bauen zu müssen: So hoch springt er bei Synkopen oder anderen rhythmischen Eigenheiten. Im letzten Abonnementskonzert der Bremer Philharmoniker modulierte sein so durch und durch tänzerisches Dirigieren Mozarts „kleine“ g-Moll-Sinfonie, Hector Berlioz‘ selten gespielten Gesangszyklus „Nuits d‘été“ und Beethovens vierte Sinfonie.

Es scheint so, als hätte man Berlioz seinen radikalen Bruch mit dem klassischen Formenkanon noch immer nicht so richtig verziehen; mit Ausnahme der populären „Sinfonie Fantastique“ spielt er im Konzertleben noch immer eine untergeordnete Rolle, in jedem Falle eine, die seiner musikgeschichtlichen Bedeutung nicht entspricht.

Renes hat sich vorgenommen, in Bremen für Berlioz eine Bresche zu schlagen, und begann nun mit dem großen Vokalzyklus „Nuits d‘été“ (1841) mit seinen Naturbildern und seinem individuellen Trauergestus. Berauschend sind die kontrapunktlosen Klangfarben, ergreifend eine Instrumentierung, die stillstehende Trauer selbst zu sein scheint. Die schwedische Mezzosopranistin Charlotte Hellekant verströmte ein vibratoloses, nuancenreiches Timbre, perfekt der Sitz ihrer Stimme im Orchesterklang.

Für die selten gespielte vierte Sinfonie von Beethoven fand Renes mit den gut folgenden Philharmonikern einen ungemein spannungsvollen Zugriff für die permanent gegensätzlichen Themen und Rhythmen, die letztendlich eine hymnische Einheit finden. Eingangs hatte Lawrence Renes bei der völlig zu Unrecht „klein“ genannten g-Moll-Sinfonie das auffahrend Schroffe betont.

Ute Schalz-Laurenze