Kindertagesstätten: Nimm zwei

Kurz vor den Wahlen präsentieren VertreterInnen von städtischen und kirchlichen Kitas ihre Forderungen: Eine Erzieherin mehr für jede Gruppe von 20 Kindern. Nur zu zweit könne der Anspruch erfüllt werden, schon die ganz Kleinen pisamäßig zu fördern

taz ■ Mit einer Kette aus rund 3.000 Kindern und Erwachsenen entlang der Linie 4 haben heute Gewerkschaften und die Bremische Evangelische Kirche für mehr Personal in den Kindertageseinrichtungen demonstriert. Ihre dreieinhalb Wochen vor den Bürgerschaftswahlen öffentlich gestellte Forderung: Eine zweite Erzieherin für jede Gruppe, in der im Schnitt zwanzig Kinder zwischen drei und sechs Jahren betreut werden. Für die Einrichtungen der Kirche wären das knapp 200 neue Stellen, für die städtischen Kitas mehr als 350.

Anders sei der Bildungsauftrag, der nach dem PISA-Schock auch verstärkt an die Erzieherinnen von Kleinkindern herangetragen werde, nicht zu erfüllen, sagte Christel Hahn-Schalk von der Evangelischen Kindertagesstätte Horn II. „Wir sollen Kinder ja nicht nur aufbewahren, sondern auch nach ihren Möglichkeiten fördern, damit sie in der Grundschule mithalten können.“ Gegenwärtig sei es aber kaum möglich, mit jedem Kind während der vier Stunden, die es in der Kita verbringt, einmal zu sprechen. Darunter würde nicht nur die Sprachentwicklung von Kindern aus Migrantenfamilien leiden, so die ErzieherInnen.

Die Liste ihrer Beschwerden ist lang: Zu wenig Zeit für die Vorbereitung der pädagogischen Arbeit, keine Möglichkeit, Überstunden nach Elternabenden und Kita-Festen abzubauen, und eine fehlende Wertschätzung ihrer Arbeit vonseiten der Politik, die sich auch in einer schlechten finanziellen Absicherung niederschlägt. „Dabei müsste man gerade in die Kindergärten investieren, weil hier das Fundament für schulischen Erfolg gelegt wird“, kritisierte der Personalratsvorsitzende städtischer Kindertagesstätten, Rainer Müller.

Die Jugend- und Sozialsenatorin Karin Röpke (SPD) reagierte prompt auf die Kinder-Demo und teilte mit, dass sie aufseiten der Eltern und ErzieherInnen stehe. Die „personelle Verstärkung“ der Kitas werde für sie ein „zentraler Punkt in möglichen Koalitionsverhandlungen“ sein. Doch einfach nur mit mehr Leuten sei es nicht getan, sagte Christian Gloede-Noweck von der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW). „Es geht ja um qualifiziertes Personal.“ Die Forderung, auch kleine Kinder zu fördern und nicht nur in die Schulen zu investieren, richte sich nicht nur an die Jugendsenatorin, betonte die Erzieherin Christel Hahn-Schalk. „Die kann nur das ausgeben, was ihr die anderen Ressorts zugestehen.“

Mehr Personal bei gleichzeitiger Beitragsfreiheit sei aber nicht drin, hieß es in Röpkes Erklärung weiter. Damit spielte sie auf das kostenlose Kindergartenjahr an, das sich die CDU auf die Wahlkampfplakate geschrieben hat. Und auch die FürsprecherInnen für mehr Erzieherinnen halten von dieser Idee nichts. „Diese Forderung kommt zum falschen Zeitpunkt, erstmal muss die Qualität der Betreuung gesichert sein“, sagte der Personalratsvorsitzende Müller. Eiken Bruhn