„1. Mai ohne Krach und Krawall“

Manfred Schmieg, 36, ist Fachmann für Mai-Rituale. Der Abteilungskommandant der Freiwilligen Feuerwehr organisiert den 1. Mai im württembergischen Blaufelden

taz: Herr Schmieg, Sie organisieren das Maibaumaufstellen in dem 2.600-Seelen-Dorf Blaufelden. Sind die Vorbereitungen für den 1. Mai abgeschlossen?

Manfred Schmieg: Ja, komplett. Wir waren im Wald und haben den Maibaum ausgesucht – eine Fichte.

Warum eine Fichte?

Wir nehmen immer Fichten. Birken sind meistens krumm, sehen nach nichts aus. Die haben keine schöne Krone. Birken, das ist eher was für jungen Burschen.

Inwiefern?

Na ja, wenn ein junger Bursch in ein Mädchen verliebt ist, stellt er ihr in der Nacht zum 1. Mai eine kleine Birke vor die Türe. Dann weiß sie, dass um sie gebuhlt wird. Oder vor der Heirat – hinterher wird so was ja nicht mehr gemacht.

Was muss man beim Aufstellen des Maibaums beachten? Dass er nicht einknickt?

Unsere Fichte ist 28 Meter hoch, der Marktplatz aber relativ eng. Normalerweise darf der Maibaum nur per Hand und mit Hilfe von langen, dünnen Holzstangen aufgestellt werden. Wir aber benutzen zusätzlich Traktoren. Wegen der Sicherheit bei immerhin 300 bis 400 Zuschauern.

Und dann sitzen Sie um den Baum und bewachen ihn?

Bis es hell wird. Dann darf niemand mehr den Baum absägen.

Was machen Sie, wenn etwa die Jungs aus Ihrer Teilgemeinde Wiesenbach Ihren Baum absägen wollen? Gibt’s da Ärger?

Es gibt da keine Handgreiflichkeiten, wenn das passieren sollte. So nach dem Motto: „Wir sind 5, ihr nur 3.“ Wir haben drei, vier Männer eingeteilt, die die ganze Nacht aufpassen. Sonst wäre es ja eine Schande für die Gemeinde.

Ist in Blaufelden schon mal ein Maibaum abgesägt worden?

Nein, bisher noch nicht. Beliebt ist auch, dass das Loch für den Maibaum zubetoniert wird. Da steht man am Abend dann auch dumm da. Das kam in anderen Gemeinden schon mal vor.

Muss sich die Polizei Sorgen machen?

Nein, da gibt’s keine Probleme. Höchstens, wenn zu viel getrunken wird. Aber die Polizei ist in Blaufelden nicht da.

Werden in Blaufelden auch Gullideckel ausgehoben?

Das ist doch kein Maischerz, das ist Dummheit. Das kontrolliert die Polizei. Ein Maischerz ist, wenn Gartentüren ausgehängt werden. Oder wenn ein Bauer seinen Hof nicht in Ordnung gehalten hat, werden die Geräte versteckt oder auf den Baum gehängt. Beliebt ist auch das Kalkspuren-Legen: zwischen den Wohnungen zweier Verliebter, die es verheimlichen wollen.

Und was passiert am 1. Mai?

Da wird ausgeschlafen. Um 10 Uhr treffen wir uns zum Wandern. Wir nehmen etwas zum Trinken mit, singen und gehen zum Grillplatz. Es geht alles sehr friedlich zu – ohne Krach oder Krawall. INTERVIEW: THILO KNOTT