Sechs Quadratmeter Luxus

Von Paris nach Weimar ist es nur ein kleiner Schritt – vom Zeitungskiosk zum „Zentrum für Kunst und Mode“ auch. Der K & K-Pavillon zeigt Arbeiten Bettina Allamodas zum Crossover von Mode und Kunst

von BRIGITTE WERNEBURG

Das orientalisch anmutende Muster, das die Fenster des kleinen Pavillons am Sophienstiftplatz in Weimar bedeckt, entstammt der arabischen Welt. Allerdings der des Architekten Jean Nouvel. Die Folie zitiert seine berühmte Fensterkonstruktion aus lichtdurchlässigen, sich mechanisch verändernden Aluminiumelementen, die wiederum die arabische Ornamentik zitiert und architektonisches Markenzeichen seines 1987 eröffneten Institut du monde arabe in Paris ist. Im Frühjahr und Herbst mieten berühmte Modefirmen das Haus, in dem unter anderem auch Koranschüler lernen. Sie zeigen dort ihre Prêt-à-porter- und Haute-Couture-Schauen oder richten im zentralen Konferenzraum, dem Saal des Hohen Rates, ihren Showroom ein. An diesem temporären Treffpunkt können Einkäufer und Journalisten die Kleider noch einmal unter die Lupe nehmen oder sich die Kleider von einem Model persönlich vorführen lassen.

Auch in Weimar stößt man auf Mode, schaut man durch die Gitterkonstruktion der Fensterfolie ins Innere des Pavillons. Großformatige Fotografien zeigen die Showrooms von Sonja Rykiel und John Galliano, wie sie die Künstlerin Bettina Allamoda im Institut du monde arabe selbst fotografiert hat, ein Still aus der aktuellen Frühjahrskollektion des britischen Modedesigners und eines der berühmten Hermès-Tücher, in diesem Fall mit Araberpferden bedruckt. Über Motiv und Ort der Aufnahmen informiert ein Text zur Installation „Institut du monde arabe/showroom 2003“ von Bettina Allamoda, der in das Brett vor dem Hauptfenster des Pavillons eingelassen ist. Das Crossover von Mode und Kunst, das Thema wie Material der Arbeiten der Berliner Künstlerin ist, ist auch Thema und Material des Pavillons selbst, der sich als ein sechs Quadratmeter großes „Zentrum für Kunst und Mode“ entpuppt – eingerichtet von K & K, wie die Leuchtbuchstaben auf seinem Dach annoncieren: der Künstlerin Katharina Hohmann von der Fakultät Gestaltung an der Bauhaus-Universität Weimar und der Designerin Katharina Tietze, die am Lehrstuhl Medien unterrichtet.

Vor zwei Jahren mieteten die beiden einen von drei Zeitungskiosken aus DDR-Zeiten, um in ihm den veränderten Umgang mit Kunst und Kleidung, mit Design, Mode und Alltag zu dokumentieren. Damit retteten sie der eleganten, goldeloxierten Aluminiumkonstruktion gleich hinter dem Deutschen Nationaltheater das Überleben und boten Künstlern, Designern, aber auch Theoretikern und Historikern einen alternativen Ort, an dem sie ihre Überlegungen, Recherchen und künstlerischen Arbeiten öffentlich machen können. Alle drei Wochen wechseln die Ausstellungen, die schon von Modefarben, Taschentüchern, der Via Monte Napoleone in Mailand, den Modemagazinen, die bei der Berliner Spezialbuchhandlung pro qm zu finden sind, oder dem „Journal des Luxus und der Moden oder wie die Seidenblumenproduktion die Kulturstadt Weimar erschuf“ handelten.

Alternative Orte zählten spätestens seit den 90er-Jahren zu den Strategien der Kunstszene, aus dem üblichen Rahmen auszubrechen, um neue Produktionsprozesse zu ermöglichen, neue Aufmerksamkeit von neuen Zielgruppen zu erhalten, vor allem aber um eine andere Rezeptionshaltung zu provozieren oder zu produzieren. Auch die Mode liebt den anderen Ort, wie die Nutzung des Institut du monde arabe belegt. Auch hier ist das Motiv des Ortswechsels die Irritation der Interessenten, der Gewinn neuer Ausdrucksmöglichkeiten und neuer Freiheiten, die Erhöhung der Aufmerksamkeit und nicht zuletzt der Reiz des Exotischen, dem sich die Mode – anders als die Kunst – ohne weiteres anheim geben darf.

Wenn Bettina Allamoda nun den exotischen Schick des Pariser Events in der bekannten und bescheidenen Kioskarchitektur in Weimar rekonstruiert, dann fördert diese Re- und Dekontextualisierung die kritische Wahrnehmung des Modeprogramms, ohne die Mode dabei politisch korrekt zur Rechenschaft zu ziehen. So scheint etwa der Weg von Paris nach Weimar nicht so weit zu sein, wie man annehmen möchte. Die Logik der Präsentation bleibt im Ortswechsel nämlich erhalten. Denn schaut man im Wörterbuch unter dem Stichwort Kiosk nach, wie es Allamoda vorschlägt, dann vergleicht beispielsweise das „American Heritage Dictionary“ den Kiosk als Synonym für Zeitungsstand interessanterweise mit dem Kind im Märchen, das glaubt, von bescheidener Herkunft zu sein, wo es doch in Wirklichkeit aus einem Königshaus stammt. Schließlich meinte das türkische Wort köshk, von dem sich im 17. Jahrhundert das europäische Kiosque oder Kiosk herleitete, das herrschaftliche Sommerhaus oder den aparten Pavillon. Gleichzeitig verweist die Einbürgerung und Verbürgerlichung dieses exotischen Ortes in die Bude, wo die neuesten Nachrichten und damit neuesten Moden zu haben sind, auf die immer wieder beobachtete, bemerkenswerte Integrationsfähigkeit der westlichen Kultur.

Die Mode rechnet seit je mit dieser Bewegung und macht sie zu ihrem Spiel, denn nur so ist sie neu und normativ zugleich. Die Kunst, die eher leidvoll erlebt, wie schnell neu erobertes Territorium vom Betrieb einverleibt wird, erfährt am Modell Mode, wie man dabei die Nerven behält.

Bis 6. Mai, Weimar; www.kkkiosk.de