Der Ikarus der Privatwirtschaft

Einst als Vorzeige-Unternehmer Algeriens gefeiert, heute wegen Betrugs gesucht: Multimillionär Rafik Khalifa

Rafik Abdelmoumen Khalifa hat das Mittelmeer gegen den verregneten Londoner Hydepark eingetauscht. Und das für längere Zeit. Denn der 38-jährige Multimillionär wird in seiner algerischen Heimat gesucht. Er soll auf betrügerische Art und Weise ein Unternehmensimperium aufgebaut haben. Jetzt, wo es in sich zusammenstürzt, ist er innerhalb Europas nur in Großbritannien sicher, denn von dort kann er nicht ausgeliefert werden. Seine Familie lebt weiterhin in Paris. Besuchen kann Khalifa sie nicht, denn die französische und die algerische Justiz arbeiten sehr wohl zusammen.

Das Ende eines Traums aus Glanz und Glimmer. Khalifa war der algerische Vorzeigeunternehmer: Er hat es vom Stadtteilapotheker zum Multimillionär gebracht. Das ist der Stoff, aus dem die algerischen Privatisierungsträume gemacht sind.

Die Geschichte Khalifas ist die Geschichte der guten Beziehungen. Der Apotheker, an den sich viele in Algier noch erinnern, lud die Lieferungen selbst aus und stand an der Theke und bediente. Er hatte ein Startkapital, über das nicht jeder verfügt: die nötigen Kontakte. Sein Vater Laroussi Khalifa gehörte zur alten Garde des unabhängigen Algeriens. Er baute die politische Polizei des Einparteiensystems auf, diente Algier als Botschafter und später gar als Minister. So etwas öffnet Türen. Ohne lange nachzudenken heuerten viele bei Khalifa an, unter ihnen zwei Brüder des algerischen Staatschefs Abdelasis Bouteflika.

Mit sechs Millionen Euro, von denen bis heute unklar ist, woher sie kamen, gründete Rafik Khalifa 1999 eines der ersten privaten Geldinstitute im sich öffnenden Algerien, die Khalifa-Bank. Bei ihm gab es die besten Zinsen. Ob Kleinanleger, staatliche oder private Unternehmen oder die Sozialversicherung, die in Algerien in den Händen der übermächtigen Gewerkschaft ist: alle legten bei „Moumen“, wie ihn seine Freunde nennen, an. Gerüchte, nach denen auch Schwarzgeld der Generäle und korrupter Staatsdiener über die Bank ihren Weg zurück auf den Markt fanden, wollen bis heute nicht verstummen.

Vom Erfolg verwöhnt legte der Jungunternehmer nach. Er gründete Khalifa Airways, die erste private Fluggesellschaft Algeriens, eine Autovermietung und Khalifa TV. Als erster afrikanischer Unternehmer leistete er sich den Luxus, mit Olympic Marseille einen europäischen Erstligisten zu sponsern. Bei keinem Fest in Frankreich durfte der gut gekleidete, smarte Unternehmer fehlen. Auch Algeriens Staatschef ließ sich gerne mit „Moumen“ ablichten in der Hoffnung, das junge, dynamische, vorwärtsweisende Image würde etwas auf den alten Apparatschik abfärben.

Damit ist es jetzt vorbei. Viele der einstigen Gönner fordern die schonungslose Untersuchung des Geschäftsgebarens Rafik Khalifas. Seit Ende Februar, als drei der engsten Mitarbeiter des Konzernchefs auf dem Flughafen in Algier mit zwei Millionen Euro in bar festgenommen wurden, überschlagen sich die Ereignisse. Die Bank wurde unter staatliche Aufsicht gestellt, der Fernsehsender, bei dem seit Monaten keine Löhne mehr bezahlt wurden, musste schließen, und die Fluglinie musste fast all ihre geleasten Maschinen zurückgeben. Mindestens eine Milliarde Euro tief ist das Finanzloch. 15.000 Arbeiter und Angestellte stehen jetzt vor dem Nichts.

REINER WANDLER