DER SCHMIERGELDPROZESS IN PARIS IST EIN VORBILD FÜR DEUTSCHLAND
: „Leuna“ lässt zu viele Fragen offen

In Paris befasst sich ein Strafgericht mit dem schmierigen Zustandekommen von Ölgeschäften des französischen Mineralölkonzerns Elf in aller Welt. Aus den Firmenkassen sind zig Millionen verschwunden, systematisch sind allerorten Regierungen, Opposition und Gewerkschaften bestochen worden. Das sei in der Mineralölbranche üblich, betonen sie – auch heute noch.

Auf die vielen offenen Fragen über die Umstände der Minol-Leuna-Privatisierung in der Ex-DDR im Jahr 1992 und 1993 wird das Pariser Gericht keine Antwort liefern. Es wird nicht klären, warum Subventionen aus Länder- und Bundesmitteln mit millionenschwerem Lobbying erkauft werden mussten und ob Geld in die Schwarzkassen der Partei von Exkanzler Helmut Kohl geflossen ist. Und es wird auch offen lassen, ob die Zustimmung von Politik und Gewerkschaften zu den Massenentlassungen in Leuna erkauft war.

Diese Fragen müssen in Deutschland gestellt und beantwortet werden. Die langatmige und aufwändige Aufklärungsarbeit der französischen Justiz in der Elf-Affäre mag partiell bleiben. Aber sie weist einen Weg, der sich auch für die Justiz in Deutschland aufdrängt: Wo solch schwerwiegender Verdacht auf der Politik lastet, muss trotz aller Hindernisse weiter ermittelt werden.

Auch in einem anderen Punkt der Schmiergeldaffären gehen die Franzosen mit gutem Beispiel voran. Sie haben Alfred Sirven, einflussreiche Figur aus dem nebulösen Zentrum der Elf-Affäre, nach jahrelanger Untätigkeit in seinem Versteck auf den Philippinen aufgespürt und in einer großen Polizeiaktion nach Frankreich zurückgeholt. Deutschland sollte diesem Vorbild folgen und den seit Jahren untergetauchten einstigen Verfassungsschutzmitarbeiter, Staatssekretär im Verteidigungsministerium und Mercedes-Manager Ludwig Holger Pfahls zurückzuholen. Pfahls spielte – daran lässt der Pariser Prozess keinen Zweifel – eine zentrale Rolle beim Einfädeln der Leuna-Minol-Affäre. Und er könnte ganz sicher zur Aufklärung manch anderer undurchsichtiger Geschäfte beitragen. DOROTHEA HAHN