Weiter Weg bis zum EU-Kommando

Außenminister Fischer besucht nach langer Zeit wieder einmal Sarajevo: Es ist Vertrauensarbeit notwendig, wenn die SFOR-Truppen in Bosnien unter europäische Führung kommen sollen

Die Sicherheit ist noch lange von internationalen Truppen abhängig, erkannte auch Peter Struck

SARAJEVO taz ■ In den letzten Jahren sind die Besuche des deutschen Außenministers Joschka Fischer in Sarajevo sehr selten geworden. Als dann auch noch Bundeskanzler Gerhard Schröder Ende November vorigen Jahres nach Serbien und Kroatien fuhr, ohne in Sarajevo vorbeizuschauen, spekulierte die lokale Presse schon, Deutschland sei nicht mehr interessiert an Bosnien und Herzegowina. Dass Fischer mit seinem überraschend für gestern angesetzten Trip diesen Spekulationen entgegenwirken wollte, ist jedoch eher unwahrscheinlich. Nach wie vor ist Deutschland in Sarajevo mit 1.300 Soldaten und 90 Polizisten sowie der diplomatischen Vertretung präsent, nach wie vor gehört Deutschland zu den wichtigsten Geldgebern für den Wiederaufbau des Landes.

Der nicht angekündigte Blitzbesuch Fischers hat vielmehr den Grund, dass in diesem Jahr noch wichtige Entscheidungen über das Engagement der EU in Bosnien und Herzegowina zu treffen sind. Denn seit die EU vor einem Jahr mit ihrer Polizei die Sicherheitskräfte der UN ablöste, haben sich die Gerüchte verdichtet, dass nun auch die SFOR, die internationalen Friedenstruppen, die bisher der Nato unterstehen, am Ende des Jahres von der EU geführt werden sollen.

Zwar solle die Nato noch ein Büro in der Stadt unterhalten, heißt es in Sarajevo, doch die Hauptlast der Verantwortung werde künftig von der EU und ihrer bisher noch nicht existierenden Armee übernommen. Wie dabei die Rolle der weiter im Lande befindlichen US-Truppen aussehen wird, ist noch nicht definiert. Sicher ist, dass die USA zwar ihre Truppen reduzieren, jedoch nicht, wie noch voriges Jahr angekündigt, das Land verlassen werden. Da besteht also Gesprächsbedarf nach allen Seiten. Vor allem die politischen Parteien der Bosniaken (Muslime) halten an den US-Truppen in Bosnien und Herzegowina fest. Denn die Erfahrungen mit den Europäern während des Krieges waren für diese Volksgruppe nicht die besten. Nicht nur die Nationalpartei, auch nichtnationalistische Parteien und Gruppen haben sich hinter der Forderung versammelt, dass die Einheiten aus Übersee bleiben sollen. Die künftige EU-Armee muss also um Vertrauen werben. Dies musste schon Verteidigungsminister Peter Struck bei seinem Besuch vorige Woche in Sarajevo zur Kenntnis nehmen. Und auch die Erkenntnis, dass trotz aller Fortschritte im Friedens- und Demokratisierungsprozess internationale Truppen weiterhin stationiert werden müssen, um die Sicherheit des Landes zu gewährleisten.

Immerhin ist es dem Hohen Repräsentanten Paddy Ashdown gelungen, die ehemals Krieg führenden Armeen aller Seiten unter ein gemeinsames Oberkommando zu bringen. Die Mannschaften aus den einzelnen Volksgruppen bleiben jedoch noch getrennt. Erst wenn es gelingt, eine einheitliche bosnische Armee zu installieren, die dann in die Nato aufgenommen werden kann, werden die internationalen Friedenstruppen, ob von Nato oder EU geführt, überflüssig sein.

Fischers Nachmittag gestern in Sarajevo war zudem sicherlich von Erinnerungen angefüllt. Bei seiner ersten Reise kurz nach dem Krieg 1997 hatte er angesichts der damals noch zerstörten Stadt erklärt, sein Schweigen und seine pazifistische Haltung während des Krieges seien ein Fehler gewesen, das Massaker von Srebrenica hätte durch ein energisches militärisches Eingreifen des Westens verhindert werden können. Und war damit in den Augen seines Koalitionspartners als Außenminister akzeptabel geworden. ERICH RATHFELDER