Millionen aus der schwarzen Kasse

Im Prozess um Schmiergeldzahlungen des Erdölkonzerns Elf bei der Privatisierung von Leuna und Minol stehen derzeit zwei ehemalige Geschäftspartner in Paris vor Gericht. Sie behaupten, das Geld für „Lobbying“ in Deutschland erhalten zu haben

„Obwohl wir den besseren Preis hatten, bekam die Vebaden Zuschlag“

aus Paris DOROTHEA HAHN

Ein hoher Agent der französischen Spionageabwehr (DST) und ein vermeintlicher Agent des BND, der bestreitet, den geheimen Job je gemacht zu haben, und als Beweis dafür ein deutsches Ministerattest vorlegt, sind in dieser Woche in der elften Pariser Strafkammer die Hauptpersonen. Der Franzose Pierre Lethier und der Deutsche Dieter Holzer waren 1992 und 1993 Geschäftspartner. Binnen weniger Monate kassierten sie 39 Millionen Euro aus den Schwarzgeldkassen des französischen Erdölkonzerns Elf. Das sei ihr Honorar gewesen, erklären sie dem Gericht: Honorar für Lobbying in Deutschland, um die Privatisierung der maroden Erdölraffinerie Leuna und der 250 ostdeutschen Minol-Tankstellen zugunsten von Elf vorzubereiten.

Lethier und Holzer sind im Rahmen des Elf-Schmiergeldverfahrens wegen Betrugs und Unterschlagung von Firmengeldern angeklagt. Die französische Justiz bezweifelt, dass die beiden Männer eine echte Gegenleistung für die Überweisungen erbracht haben. Sie vermutet, dass bei der Privatisierung in der einstigen DDR 47,7 Millionen Euro auf dem Umweg über Lichtenstein und die Schweiz sowie in Steuerparadiesen ansässiger Gesellschaften und Stiftungen in dunkle Kanäle geflossen sind.

37 Personen – darunter ein großer Teil der einstigen Chefs des Konzerns – sind in dem Prozess, der bis Juli laufen wird, angeklagt. Beide Männer bestreiten, in Deutschland Parteien oder Gewerkschaften geschmiert zu haben. Den früheren Staatssekretär im Verteidigungsministerium, Ludwig Holger Pfahls, in dessen Münchner Haus das Lobbying-Geschäft zwischen Elf, Lethier und Holzer eingefädelt wurde, bezeichnet Holzer heute zwar als „außergewöhnliche Quelle von Infos“. Aber diese Infos habe der heute flüchtige Pfahls umsonst gegeben. Eine Überweisung von 7,6 Millionen Euro an Pfahls erklärt Holzer damit, dass sein Informant eine Mercedes-Zweigstelle in Ostdeutschland kaufen wollte. Nachdem Tennisstar Boris Becker 5 Millionen Dollar mehr geboten habe, sei das Geld von Pfahls zurückgekommen.

In Paris ist für den Vorsitzenden Richter, Michel Desplans, die Leuna-Minol-Privatisierung ein „Kinderspiel“: Ein Regierungschef (Kohl) will ein staatliches Unternehmen (Leuna-Minol) über einen öffentlichen Organismus (Treuhand) verkaufen. Daher die Frage: Warum ist angesichts derart klarer Voraussetzungen teures „Lobbying“ nötig?

Ex-Elf-Präsident Loïk Le Floch Prigent, der sich heute wegen zahlreicher krummer Geschäfte vor Gericht verantworten muss, begründet das „Lobbying“ so: Elf sei in Ostdeutschland bereits eine Raffinerie (Schwedt) durch die Lappen gegangen: „Obwohl wir den besseren Preis hatten, bekam die Veba den Zuschlag.“ Daher, so Le Floch Prigent, habe er den französischen Präsidenten Mitterrand davon überzeugt, dass für Leuna-Minol Lobbying nötig sei. Außerdem habe Elf es „eilig“ gehabt. Andernfalls hätte das „Benzin-Kartell“, womit er jene Mineralölkonzerne meint, die das Geschäft in der alten BRD unter sich aufgeteilt hatten, den ostdeutschen Markt allein erobert.

Details über das „Lobbying“ in Deutschland will Le Floch Prigent nicht gekannt haben: „Mich interessiert das Ergebnis der Arbeit meiner Mitarbeiter.“ Der einstige Elf-Chef erinnert sich aber sehr wohl daran, dass bei der Vergabe von Kommissionen sämtliche Hypothesen in seinem Büro erörtert worden seien: „Länderchefs, Gewerkschaften, Parteien, Geheimdienste.“

Im Gerichtssaal fallen keine Namen von deutschen Politikern. Bloß Hinweise. „Zwei deutsche Exminister“ hätten „bedeutende Summen“ bekommen, sagt der Angeklagte Sirven. Ex-Elf-Chef Le Floch Prigent redet nur über die Grundidee des „Lobbying“: „Manchmal möchte ein Politiker ein Schwimmbad in Olympiamaßen in seinem Bundesland. Das erleichtert vieles.“

In der Chefetage des Elf-Turms im Westen von Paris soll irgendwann 1992 der eine Öl-Chef, Sirven, zum anderen, André Tarallo, gesagt haben: „Vorsicht. Das ist sehr delikat. Solche politischen Interventionen in Deutschland behandelt man anders als in Afrika“. So berichtet es der Angeklagte Tarallo dem Strafgericht. Dem Vorsitzenden Richter leuchtet das ein. „Klar“, sagt Richter Desplan, „in Deutschland sind die Summen viel höher als in Afrika.“ Der Saal lacht.