Willkommene Peanuts für solventen Dealer

Die Siemens AG nähme die 50 Millionen Euro aus dem Hanau-Verkauf gern. Aber es geht ihr auch so schon richtig gut

BERLIN taz ■ Bei Siemens würde man die Millionen gerne nehmen, egal wer zahlt. Es wäre eine Extraeinnahme, denn die Hanauer Anlage ist längst abgeschrieben. Die zuständige Siemens-Abteilung Energieerzeugung (neudeutsch: Power Generation) macht zwar keine Angaben zum anvisierten Preis. Aber die Zahl von 50 Millionen Euro wird auch nicht dementiert. „China hat Interesse gezeigt. Ein eventueller Erlös wird an den Bereich Power Generation gehen“, so Siemens-Sprecher Alfons Benzinger. Der Bereich, früher unter dem Namen Kraftwerks-Union bekannt, ist derzeit das rentabelste Pferd im Siemens-Stall: Die über 30.000 Angestellten erwirtschafteten im vergangenen Geschäftsjahr 7 Milliarden Euro Umsatz samt einem Betriebsgewinn von 1,17 Milliarden. Der Siemenskonzern mit weltweit 417.000 Mitarbeitern kam auf 74 Milliarden Euro Umsatz und 2,4 Milliarden Gewinn nach Steuern.

Da wirken 50 Millionen ein wenig wie die berühmten Peanuts. Andererseits: Es ist zusätzlicher Reingewinn. Und jedes Geschäft mit dem wachsenden chinesischen Markt ist ein begehrtes Geschäft – ob nun Turbinen für den Drei-Schluchten-Staudamm oder eine Plutoniumanlage.

Die Anlage würde sich mit einem Verkauf in eine rentable Altlast verwandeln. Denn eigentlich hat Siemens mit der Nuklearenergie abgeschlossen. Im Jahr 2000 wurde der stetig schrumpfende Bereich in ein Gemeinschaftsunternehmen mit dem französischen Atomkonzern Framatome eingebracht. Die Siemens AG hält nur 34 Prozent an dem Joint-Venture Framatome ANP.

Bei der Gemeinschaftsfirma gibt man sich schweigsam, nennt sich „das weltweit führende Kernkraftunternehmen“ mit 14.000 Mitarbeitern. Der Umsatz lag in den vergangenen beiden Jahren bei konstant 8,3 Milliarden Euro. Er wird vor allem mit Dienstleistungen und Brennstoff für bestehende AKW erwirtschaftet. Zum Gewinn gibt es wenig Angaben, nur: „Wir sind profitabel“, so der deutsche ANP-Sprecher Alexander Machowetz. Siemens weist den Atomprofit in seiner Konzernbilanz nicht gesondert aus, weil es sich ja nur um eine Minderheitsbeteiligung handelt.

Alle Beteiligten hoffen jedoch auf einen neuen Boom der Atomkraft. Den Anfang machte nun Finnland. Der dortige Stromkonzern bestellte im Dezember bei Framatome ANP einen 1.600-Megawatt Druckwasserreaktor für drei Milliarden Euro. Die Siemens AG war mit im Anbieterkonsortium und liefert die konventionelle Technik des Reaktors wie Turbinen und Transformatoren.

Und in Frankreich, dem EU-Atomland schlechthin, soll es in den kommenden Jahren erst richtig losgehen. Dort stehen 58 Atommeiler, Durchschnittsalter: 18 Jahre. Der staatseigene Monopolist Electricité de France (EdF) hat zwar im Jahr 2003 die Lebensdauer der Anlagen kurzerhand um 10 auf 40 Jahre verlängert. Trotzdem sollen sie ersetzt werden. Da würde etwa ein Reaktorneubau pro Jahr winken. Und der einzig ernsthafte Lieferant wäre das Siemens-Framatome Joint-Venture. Ihr Druckwasserreaktor mit Namen European Pressurized Water Reactor (EPR) ist das neueste Modell auf dem Markt.

Letztendlich sollen solche EPR auch in Deutschland alte Meiler ersetzen. Quasi eine Art Heimkehr: Denn die Entwicklung des Reaktors geschah wesentlich mit durch die damalige Siemens-Tochter Kraftwerks-Union. Bezahlt haben dies jedoch die Stromkonzerne und damit die deutschen Stromkunden. Gewinne aus dem EPR würden nun natürlich an Siemens und Framatome fließen. Da wären die 50 Millionen Euro für die Hanauer Plutoniumanlage endgültig Peanuts. REINER METZGER