Waffenstillstand mit Terrorgruppe

Kehrtwende der US-Politik: Mit den im Irak ansässigen iranischen Volksmudschaheddin ist eine Waffenruhe vereinbart

BERLIN taz ■ Vincent Brooks, Sprecher des US-Zentralkommandos in Katar, hat Ende letzter Woche bekannt gegeben, mit den Führern der iranischen Volksmudschaheddin ein Waffenstillstandsabkommen vereinbart zu haben. Derzeit werde über eine Kapitulation und den künftigen Status der Organisation verhandelt. Brooks ließ offen, ob die Mudschaheddin weiterhin ihre Waffen behalten dürften.

Die Organisation der Volksmudschaheddin, die einzige Oppositionsgruppe, die bewaffnet gegen das Regime in Teheran kämpft, hatte sich bereits Mitte der Achtzigerjahre im Irak niedergelassen. Hier erhielt sie vom irakischen Regime Waffen, Rüstung und großzügige finanzielle Unterstützung. Sie bildete eine kleine Armee, die gelegentlich in den Grenzgebieten Angriffe gegen Iran durchführte. Auch für zahlreiche Terroranschläge in Teheran und anderen Städten Irans ist sie verantwortlich.

Der Waffenstillstand deutet auf eine eindeutige Kehrwende der US-Strategie sowohl Iran als auch den Volksmudschaheddin gegenüber hin. Noch Mitte April hatten US-Flugzeuge mehrfach Stützpunkte der Volksmudschaheddin bombardiert. Die britische Botschaft in Teheran bezeichnete die Angriffe als legitim. Bei den Volksmudschaheddin handele es sich nicht nur um eine terroristische Organisation, sagte ein Botschaftssprecher. „Wir betrachten sie als einen Teil der irakischen Armee, gegen die wir Krieg führen.“

Die Kehrtwende vom Krieg zum Frieden ist erfolgt, nachdem die USA zu der Überzeugung gelangt waren, dass sich hinter den antiamerikanischen Demonstrationen der irakischen Schiiten Drahtzieher aus Iran verbergen. Die New York Times berichtete unter Berufung auf US-Geheimdienstberichte, iranische Revolutionsgarden und Agenten hätten die Pilger in Kerbela als Tarnung benutzt, um Gläubige gegen die USA aufzuhetzen und die Gründung eines islamischen Staates zu fordern. Die US-Regierung reagierte auf die Berichte mit Warnungen an Iran. Regierungssprecher Ari Fleischer sagte: „Wir haben Iran klar gemacht, dass wir gegen jede Einmischung in den irakischen Weg zur Demokratie sind. Sollten Agenten sich unter die schiitische Bevölkerung mischen, würde das eindeutig unter diese Kategorie fallen.“ Der mit dem Wiederaufbau Iraks beauftragte Exgeneral Jay Garner warf Iran vor, „Unruhen im Irak zu schüren“.

Auch Präsident Bush richtete eine Warnung an Teheran. Er hoffe, dass Iran bereit sei, mit den Alliierten zu kooperieren und sich aus den Angelegenheiten Iraks herauszuhalten. Dies habe Washington Teheran deutlich zu verstehen gegeben. Inzwischen hat die US-Armee mit Patrouillen an der Grenze zu Iran begonnen. Damit sollen Eindringlinge abgefangen und die territoriale Integrität Iraks geschützt werden, erklärte das US-Zentralkommando in Katar.

Teheran wies die Vorwürfe Washingtons zurück. Außenminister Kamal Charrasi protestierte gegen den Truppenaufmarsch in den Grenzgebieten. Die Grenze sei eine „rote Linie“, die nicht überschritten werden dürfe. Zu dem Vorwurf der Einmischung sagte er, es sei absurd, dass die USA Iran Einmischung in Angelegenheiten eines Landes vorwerfen, „in das sie soeben einmarschiert sind“.

Vor diesen Differenzen hatte Teheran die Bombardierung der Stützpunkte der Volksmudschaheddin mit Wohlwollen registriert. Politische Beobachter äußerten gar die Vermutung, die Angriffe seien als Gegenleistung für das Wohlverhalten Irans im Irakkrieg im Geheimen vereinbart worden. Es scheint nun, dass die USA die Volksmudschaheddin als Faustpfand gegen Teheran einsetzen wollen. Dies wird jedoch nicht einfach sein. Denn Washington hatte bereits unter Präsident Clinton die Volksmudschaheddin als „terroristisch“ eingestuft. Die EU schloss sich dieser Einschätzung an.

Teheran hat indes auf die neue Taktik Washingtons verärgert reagiert. Der Sprecher des Obersten Sicherheitsrates, Hassan Rohani, sagte, Iran werde unter keinen Umständen einen Deal der USA mit den Volksmudschaheddin akzeptieren. Außenminister Charrasi sagte, der Waffenstillstand mit einer terroristischen Organisation sei eine eindeutige Verletzung des internationalen Rechts. Er verrate die wahren Absichten der USA.

BAHMAN NIRUMAND