Spektakulärer Bau ohne Vision

Der Intendant der Hamburger Elbphilharmonie tritt doch nicht zurück, sondern bleibt bis zur Eröffnung, die für Mai 2011 geplant ist. Über Visionen oder auch nur Kooperationspläne mit den anderen Konzertveranstaltern sagt er aber nichts

Von der Stadt wird der Intendant seit langem stiefmütterlich behandelt

Vor ein paar Wochen hat Christoph Lieben-Seutter noch über ein Sabbatjahr nachgedacht, gar mit Rücktritt gedroht, falls die Hamburger Elphilharmonie nach 2011 eröffnet werde. Seit drei Tagen ist das Makulatur, denn eigentlich steht jetzt fest: Im Mai 2011 wird eröffnet. Und natürlich wird Lieben-Seutter Intendant bleiben. Der Mai liegt zwar mitten in der Spielzeit und ist ein unglücklicher Starttermin, aber Lieben-Seutter ist es „sehr recht, im Mai zu eröffnen. Da können wir ein Festival veranstalten, das sich als Frühjahrsfestival fest etablieren kann.“

Welches Motto dieses haben wird, welche Orchester spielen könnten, wer die Auftragskompositionen hierfür schreibt – dazu schweigt er. „Ich habe noch keine Planung für die Elbphilharmonie“, hatte er unlängst während einer Radiodiskussion eingeräumt. Seltsam defensiv wirkt der Intendant, hat er doch bislang nicht einmal das Alleinstellungsmerkmal der künftigen Elbphilharmonie-Konzerte genannt.

Dabei will sich Hamburg dereinst mit der Oper von Sydney messen. Die Erwartung, dass im spektakulären Bau Besonderes geboten wird, ist also nicht absurd. „Wir werden ein Konzerthaus von internationalem Rang etablieren, in dem erstklassige Künstler und Orchester aus der ganzen Welt gastieren“, sagt Lieben-Seutter. „Ich stelle mir unter anderem genreübergreifende Künstlerresidenzen vor, die nicht nur Klassik, sondern auch Jazz oder Weltmusik präsentieren. Es wird ein ähnliches Konzept sein wie am Wiener Konzerthaus und in der Kölner Philharmonie.“

Hamburg aber ist komplizierter als andere Städte: Hier existiert mit der Laeiszhalle bereits ein Konzertsaal, den Lieben-Seutter mitbespielen und von der Elbphilharmonie abgrenzen muss. Auch waren bereits vor Lieben-Seutters Amtsantritt die NDR-Sinfoniker zum Residenzorchester des künftigen Konzerthauses berufen worden. Und auf deren Programm hat er keinerlei Einfluss. Überdies wird er sich den Publikumskuchen – der große Elbphilharmonie-Saal fasst 2.150 Zuhörer – mit genau jenem privaten Konzertveranstalter teilen müssen, der maßgeblich die Laeiszhalle bespielt.

Viele Probleme also, aber kommuniziert wird wenig: „Ich weiß noch nicht, wann der NDR Zeit für das Eröffnungskonzert hat“, sagt Lieben-Seutter. Ebenso unklar ist, wie der erste Elbphilharmonie-Sommer genau aussehen soll: „Das Eröffnungsfestival dauert von Mai bis Juni. Im Sommer wird es dann sicher Konzerte des Schleswig-Holstein Musikfestivals geben“, sagt er. „Auch das Interesse anderer Veranstalter wird groß sein.“

Warum kein gemeinsames Festival veranstalten und sich zwecks dessen Planung am Runden Tisch zusammensetzen? „Den wird es auch mal geben“, sagt der Intendant, „aber die Themen und Interessenlagen sind so vielfältig, dass sie in kleinen Runden besser aufgehoben sind.“ Man spreche durchaus miteinander, auch mit der Kulturbehörde – wenn ihn auch die Kostensteigerung der Elbphilharmonie auf 500 Millionen Euro überrascht habe, sagt Liebgen-Seutter.

Was seine Betriebskosten betrifft, ist die Transparenz nicht so groß: Von fünf auf 6,7 Millionen Euro jährlich werden sie steigen, wie jüngst bekannt wurde. Ob Lieben-Seutters Betriebskosten-Budget von 3,6 Millionen da künftig ausreicht, weiß er nicht genau. Er sieht seinen Etat davon nicht berührt, „weil es in unserem Budget um die Kosten des Konzertbetriebes geht und nicht um Wartung und Instandhaltung des Gesamtgebäudes“.

Vermutlich hat man ihn im Unklaren gelassen – wie die Stadt überhaupt ein wenig stiefmütterlich mit ihm umgeht. Nur gut jedes dritte Konzert im neuen Saal wird Lieben-Seutter konzipieren können, den Rest bestreiten private Veranstalter. Das Budget für hochkarätige Orchester wiederum muss er einwerben. Ja, dieser Intendant wirkt etwas verloren, und die jüngste Kosten-Diskussion hat das nicht besser gemacht. Zu allem Überfluss hat die oppositionelle SPD jetzt über einen Untersuchungsausschuss zur Elbphilharmonie nachgedacht. Aber nur ganz leise: Am Freitag bereits wollte der Fraktionsvorsitzende das Ansinnen nicht mehr bestätigen. PETRA SCHELLEN