Förderung als Tropfen auf den heißen Stein

Das Land streicht die Jugendhilfe zusammen – die landeseigene Stiftung „Wohlfahrtspflege“ entdeckt die Kinderarmut

DÜSSELDORF taz ■ „Es gibt immer weniger Kinder, dafür aber immer mehr arme Kinder.“ Diese alarmierende Botschaft ver-schickt der Ruhrgebietsforscher Klaus-Peter Strohmeier seit fünf Jahren als Pressemitteilung. Inzwischen ist sie auch bei der nordrhein-westfälischen Stiftung Wohlfahrtspflege angekommen. „Immer mehr Kinder wachsen in Armut auf“, verkündete der Vorsitzende des Stiftungsrats Horst Vöge gestern in Düsseldorf. „Dieses Thema muss endlich an die Öffentlichkeit.“

Vor allem, weil diese neue Er-kenntnis des stellvertretenden SPD-Fraktionsvorsitzenden eine weitreichende Veränderung des Konzepts der Stiftung zur Folge hat: Bislang wurden ausschließlich Projekte für alte oder behinderte Menschen gefördert. „Inzwischen wissen wir jedoch, dass Altersarmut kein Problem in Deutschland ist – in vielen Regionen liegt sie inzwischen unter zwei Prozent“, sagt Horst Vöge. Deshalb sollen jetzt auch sozial benachteiligte Kinder und Jugendliche ein Stück von dem Wohlfahrtskuchen bekommen: Je 25,1 Millionen Euro für 2004 und 2005 bekommt die Stiftung aus dem Landeshaushalt. Bis zur Sommerpause soll das Parlament entscheiden, ob davon auch Projekte gefördert werden dürfen, die sich gegen Kinderarmut einsetzen.

„Ich betrachte die Erweiterung unseres Stiftungszwecks als Initialzündung im Kampf gegen die Kinderarmut“, sagt Vöge. „Die Wohlfahrtsverbände waren alle begeistert von unserer Idee.“ Ein nicht gerade überraschendes Ergebnis: Zahlreiche Beratungsstellen, Freizeitprojekte und Kinderhorte fürchten wegen der drastischen Kürzung der Landesmittel um ihre Existenz. „Das hat mit unserer Arbeit nichts zu tun“, sagt Vöge. „Eine flächendeckende Förderung von Jugendhilfeprojekten können wir nicht leisten.“ Beispielhafte Projekte will die Stiftung unterstützen. „Wir haben uns dreißig Jahre lang für Hospize stark gemacht -– inzwischen ist Nordrhein-Westfalen flächendeckend mit Hospizen versorgt“, sagt Horst Vöge. „Warum sollte das bei unserem neuen Zielgebiet nicht funktionieren?“

Auf diese Frage liefern Wissenschaft und Praxis schon seit Jahrzehnten unterschiedliche Antworten. Die Gemeinsamkeit: Es braucht eine strukturelle Änderung. Bessere Kinderbetreuungsangebote zum Beispiel. „Dann könnten mehr Mütter arbeiten gehen“, findet auch der sozialpolitische Sprecher der SPD-Fraktion Michael Scheffler. Stimmt. Das Hortangebot fährt das Land aber trotzdem zurück.

MIRIAM BUNJES