Menschliche Rohheit

Betr.: „Zelle angezündet“, taz nord v. 18. 2.

Ich kann es nicht fassen, dass man eine Familie trennt, eine Mutter mit fünf minderjährigen Kindern sich selbst überlässt, einen kranken Mann mittellos und ohne die notwendige medizinische Versorgung in erbärmliche Lebensumstände schickt (und das im Winter!) und die in zehn Jahren in Deutschland gewachsene Lebensstruktur einer Familie zerreißt. Wie viele Menschenrechte werden hier auf einmal verletzt?

Können wir uns noch als ein zivilisiertes Land betrachten, wenn – immer in korrekter Ausführung von Verfügungen – so etwas in Deutschland möglich ist? Wie stehen wir vor uns selbst da? Ich empfinde hier eine menschliche Rohheit, die auf Unsensibilität am Schreibtich zurückgeht. Das darf einfach nicht sein.

Ich bin überzeugt, die Ausländerbehörde könnte eine abwartende Haltung einnehmen: erst einmal den Winter vorübergehen lassen, eine vorläufige Reiseunfähigkeit des Mannes und eine Überlebensunfähigkeit im Zielland annehmen, wenigstens solange, bis möglicherweise ein Fortschritt in der Diskussion und der Verabschiedung des Zuwanderergesetzes es erlaubt, längjährig in Deutschland Geduldeten ein Bleiberecht zu erteilen. Es ist meine Erwartung an die Politik, dass sie dem administrativen Vollzug das menschliche Gesicht bewahrt. Gudrun Kynaß, Dettum