Kein Stein der Weisen

Der neue Hochschulratsvorsitzende der Hamburger Universität, Jürgen Timm, pocht auf allgemeine Studiengebühren. Zugleich tadelt der Ex-Rektor der Uni Bremen den in der Elbstadt verordneten Studienplatz- und Fächerabbau

von eva weikert

Der Vorsitzende des neuen Hochschulrats der Hamburger Universität, Jürgen Timm, hat sich im Gespräch mit der taz für allgemeine Studiengebühren ausgesprochen. Damit ist der Ex-Rektor der Uni Bremen auf Linie mit Hamburgs Wissenschaftssenator Jörg Dräger. Timm kritisierte den Parteilosen aber für den Abbau von Studienplätzen und Fächern, der den Vorschlägen der so genannten Dohnanyi-Kommission folgt: „Die sind nicht der Stein der Weisen.“

Der Bremer sitzt seit Anfang Februar dem Rat von Hamburgs größter Hochschule vor. Das Gremium übernimmt die strategische Steuerung der Uni und hat acht weitere Mitglieder, darunter drei Wirtschaftsvertreter, eine Journalistin und vier Wissenschaftler. Der Kritik von Studierenden an der starken Präsenz der Wirtschaft entgegnete Timm: „Ich schaue nach der Qualifikation der Personen und nicht danach, wer sie schickt.“

Der Technologiebeauftragte des Bremer Senats hält das Bezahlstudium für gerechter als die durch Steuern finanzierte akademische Ausbildung. „Ich sehe nicht ein, dass ein Millionärssohn umsonst studiert und ein Arbeiter das bezahlt“, so der 53-Jährige. Damit Bildung aber für alle zugänglich sei, müsse ein Stipendiensystem Gebühren „sozial absichern“. Auch Senator Dräger pocht auf Studiengebühren. Der Rechts-Senat klagt gegen deren Verbot im Bund vor dem Bundesverfassungsgericht.

Anders als Dräger hält Timm aber den in Hamburg verordneten Abbau von Studienplätzen für falsch. 1.750 Anfängerplätze sollen bis 2009 entfallen. Dabei hat die Stadt wegen der Einführung des Abis nach Klasse Zwölf im Jahr 2010 die doppelte Zahl an Abiturienten zu versorgen, 2011 werden im benachbarten Niedersachsen zwei Jahrgänge gleichzeitig fertig. „Ich habe Bauchschmerzen, dass in einer Region wie Hamburg immer weniger Studienanfängerplätze zur Verfügung stehen.“ Deutschland liege im internationalen Vergleich bei den Studierendenzahlen ohnehin weit hinten. „Wir brauchen mehr und besser ausgestattete Plätze“, forderte der Naturwissenschaftler, der selbst an der Hamburger Uni studierte.

Kritisch sieht der Professor auch den Vorschlag einer Reformkommission unter Klaus von Dohnanyi (SPD), die Zahl der Fächer zu reduzieren. Auf der Streichliste der Uni stehen Pharmazie, Sozial- und Wirtschaftsgeschichte, Sprachlehrforschung, Skandinavistik und Teile des Archäologischen Instituts. „In einer Metropolregion plädiere ich für eine Uni mit großer Fächervielfalt als Bildungsangebot und -chance für die Bewohner“, so Timm. Darüber hinaus seien „die Probleme von morgen nur fächerübergreifend zu lösen“.

Zum Vorschlag der Dohnanyi-Kommission, die Fächer in den Geisteswissenschaften zu halbieren und dabei Naturwissenschaften zu schonen, sagte der Mathematiker: „So weit würde ich nicht gehen, die Hamburger Uni ist ja keine Spezial-Uni.“ Wenn in Geisteswissenschaften erfolgreich geforscht werde wie im Hamburger Sonderforschungsbereich Mehrsprachigkeit, „dann muss man dies fördern und schützen“. An dem Bereich sind die Streichfächer Sprachlehrforschung und Skandinavistik beteiligt.

Gegenüber dem derzeitigen Studentenprotest in Hamburg, der sich auch gegen Studienplatz- und Fächerabbau wendet, zeigte sich Timm entsprechend gespalten. „Einen Teil der Kritik kann ich nachvollziehen.“ Dazu zähle die Sorge, dass bei der verfügten Fusion der Uni mit der Hamburger Universität für Wirtschaft und Politik (HWP) deren Angebot eines Studiums ohne Abi verschwände. „Die HWP hat ein sehr gutes Ausbildungskonzept“, mahnte Timm, „es wäre schade, wenn dies bei einer Integration verloren ginge.“