Konfektionsgröße: zu klein

„Female Identities?“: Die Weserburg sucht identitätsstiftende Aspekte in der Sammlung Ingvild Goetz

Gut, dass die alten Zeiten vorbei sind. Die Zeiten, in denen Fotografien von Männern in Strapsen Titel hatten wie „Transvestit mit einem zerrissenen Strumpf“ oder „Frauenverkörperer auf einem Bett“. Traurig sitzen diese Männer da, schauen schwarz-weiß in die Kamera und bleiben namenlos.

Gemacht hat diese Bilder die Fotokünstlerin Diane Arbus, die in den 1960er Jahren mit ihren Porträts vom Rande der Gesellschaft noch Grenzen überschreiten konnte. In den Neunzigern läuft das anders: Die New Yorker Fotografin Nan Goldin kennt die Menschen, die sie fotografiert, sie nennt sie auch dezidiert beim Namen. „Cody im Umkleideraum der Jungensbar“ oder „Misty beim Schminken“.

Aber um Cody und Misty geht’s gar nicht. Worum es gehen soll bei der Weserburg-Ausstellung „Female Identities?“, das ist die Frage nach der Geschlechteridentität, von der man auch nicht erst seit gestern weiß: Neben den biologischen Unterschieden gibt’s die Macht der sozialen Zuschreibungen, die Macht der Rollen, die nicht gottgegeben sind, sondern antrainiert werden. Geleitet von diesem Gedanken hat Kuratorin Dorothee Wimmer Arbeiten aus der Sammlung Ingvild Goetz ausgewählt und mit „Female Identities?“ einen großen Titel für eine überschaubare Ausstellung gefunden: Neben den Fotos von Arbus und Goldin ist ein Raum der amerikanischen Objektkünstlerin Andrea Zittel gewidmet. Konstruktion von Geschlechteridentität also.

Bei Whiteread soll sie im Material zweier Wärmflaschen stecken: Die eine ist aus Gips, die andere aus Kunstharz und wölbt sich hart nach außen, die erste wiederum hat weiche Rundungen. Nichts gegen Whitereads durchaus kurzweilige Wärmflaschen-Varianten – aber Geschlechteridentiät? Gips = Mann, Kunstharz = Frau und prinzipiell sind sich beide ähnlich? Man kommt nicht recht daran vorbei, es so platt zu verstehen – im Falle Whiteread schränkt die Gender-Studies-Brille den Blick auf die Arbeit empfindlich ein.

Besser hat’s da schon Jessica Stockholder: Ihre mit mehreren Schichten bemalten, ineinander verkeilten Sitzmöbel kümmern sich von vornherein nur um den Raum, bleiben so abstrakt, dass weder eine vordergründige, noch eine hintergründige Weiblich-Männlich-Deutung andocken kann. Sie sind das Gegenteil von Zittels „Personal Panels“, bei denen dem Betrachter die „Female Identity“ vor die Füße fällt: Zittel designt Kleider, die sie erstens nicht in Massenproduktion herstellt und die zweitens in ihrem schlichten, gleichförmigen Schnitt dastehen als Gegenentwurf zu Pomp und Glamour der Haute Culture. Das ist ein Statement, ein ansehnliches dazu – für Identitätsfrage allerdings bleiben diese Kleider einige Nummern zu klein. kli

bis Dezember 2004 im Neuen Museum Weserburg. Die Auswahl der Fotografien und Fotografinnen wird im Lauf des Jahres zweimal verändert