UNO füllt Westafrika mit Blauhelmen

Sicherheitsrat soll heute UN-Eingreiftruppe für die Elfenbeinküste beschließen. Zehntausende UN-Soldaten stehen schon in Sierra Leone und Liberia, bald könnte Guinea an der Reihe sein. Das Ziel: Kampf gegen Milizen im „rechtsfreien Raum“

„Kein Frieden ist in der Elfenbeinküste möglich, wenn es in Liberia Instabilität gibt“

VON DOMINIC JOHNSON

Wenn nichts schief geht, kriegt Westafrika heute seine dritte große Blauhelmmission. Der UN-Sicherheitsrat soll auf Vorschlag des UN-Generalsekretärs Kofi Annan 6.240 UN-Soldaten in die Elfenbeinküste schicken. Ihre Aufgabe wäre die Überwachung des Friedensprozesses zwischen der Regierung von Präsident Laurent Gbagbo und den Rebellen, die seit September 2002 die Nordhälfte des Landes kontrollieren. Die Truppe hätte eigentlich schon Anfang Februar beschlossen werden sollen, aber damals sperrten sich die USA dagegen. Sie haben ihren Widerstand inzwischen aufgegeben.

Die Mission in der Elfenbeinküste beginnt mit einer Umetikettierung. Die bereits entlang der Waffenstillstandslinie stationierten 1.700 Friedenstruppen aus diversen westafrikanischen Ländern werden Kern der UN-Truppe, was in der Praxis bedeutet, dass sie sich einfach blaue Helme aufsetzen. Genauso begann vergangenes Jahr die UN-Mission in Liberia. Die 4.000 Soldaten aus Frankreich entlang der Waffenstillstandslinie bleiben im Land, werden aber nicht Teil der UN-Mission. Wie ihr Kommandant General de Parseval der staatlichen ivorischen Tageszeitung Fraternité Matin erläuterte, werden sie „eine schnelle Eingreiftruppe“ bilden: „Wenn es irgendwo zu heiß wird, gäbe es eine operationelle Reserve, um die UNO zu verstärken.“

Die Hoffnung ist, dass die Stationierung der rund 6.000 UN-Soldaten in der Elfenbeinküste parallel zum vorgesehenen Abzug einer ähnlichen Soldatenzahl aus Sierra Leone vonstatten geht. Die dortige UN-Mission, zu Zeiten des Bürgerkrieges Ende der 90er-Jahre die größte der Welt, hat jetzt noch rund 11.000 Soldaten und soll bis Oktober auf 5.000 verkleinert werden. Ein „unorganisierter oder überstürzter Rückzug der UNO aus Sierra Leone“, so warnte vor einer Woche der Chef des UN-Koordinationszentrums für Westafrika, Ould Abdallah, hätte verheerende Folgen für die Region.

Die Konflikte in Sierra Leone, Liberia und der Elfenbeinküste hingen miteinander zusammen, sagte Abdallah bei einem Gipfeltreffen der westafrikanischen UN-Missionen auf der senegalesischen Insel Gorée. In Liberia schützen rund 12.000 UN-Soldaten eine seit August 2003 amtierende Übergangsregierung und versuchen, die Anhänger des damals gestürzten Präsidenten Charles Taylor sowie die Rebellen des Landes zu demobilisieren.

Im Dezember verhinderte bewaffneter Widerstand der Betroffenen in Liberia den ersten Anlauf eines UN-Entwaffnungsprogramms. „Wir können keinen dauerhaften Frieden in der Elfenbeinküste schaffen, wenn es in Liberia Instabilität gibt“, sagte Abdallah in Gorée. „Wenn ein Entwaffnungsprogramm in einem der drei Länder schlecht läuft, werden die Rebellen die Grenzen überqueren.“ Er warnte vor einem „rechtsfreien Raum mit Flüchtlingen, Vertriebenen, Rebellen und Leuten, die von der Justiz gesucht werden“.

Ein möglicher neuer Sammelpunkt für irreguläre Kräfte, so hieß es, sei Guinea – vor allem die Grenzregionen zu Sierra Leone, Liberia und der Elfenbeinküste. In Guinea herrscht eine Staatskrise, seit der schwer kranke Präsident Lansana Conté im Dezember eine von der Opposition boykottierte Präsidentschaftswahl gewann.

Die UNO, so beschlossen die Missionschefs auf Gorée, sollte daher nach Sierra Leone, Liberia und der Elfenbeinküste auch Guinea ins Visier nehmen. Nötig sei eine grenzüberschreitend koordinierte Demobilisierung von Milizen sowie die Schaffung von Kapazitäten zur gegenseitigen Unterstützung der diversen UN-Blauhelmmissionen – zum Beispiel bei Luftraumüberwachung und Grenzpatrouillen.

Genauso wichtig ist der mögliche Beitrag der UNO zum Frieden innerhalb der Elfenbeinküste. Auch hier besteht die Gefahr, dass irreguläre Kräfte den Friedensprozess sabotieren: Abspaltungen der Rebellen zum Beispiel, vor allem aber die „patriotischen“ Milizen in der Regierungshälfte des Landes, die Jagd auf Immigranten machen. Der zuständige UN-Sonderbeauftragte Doudou Diène sprach kürzlich nach einer Reise in die Elfenbeinküste von einer „Dynamik der Fremdenfeindlichkeit“: Ganze Bevölkerungsgruppen seien wegen ihrer Herkunft bedroht, oft einfach wegen „nicht-ivorischer“ Namen.

Konkrete Maßnahmen gegen diese Entwicklung plant die UNO derzeit aber nicht. Die ivorische Oppositionszeitung Le Patriote kommentierte: „Der Völkermord in Ruanda wurde möglich durch das Schweigen der internationalen Gemeinschaft zu sensiblen Fragen des Zusammenlebens zwischen ethnischen Gruppen. Das Resultat ist bekannt.“