Im Dienste Ihrer Majestät

Prozess gegen britische Geheimdienstlerin eingestellt: Sie hatte eine Mail über die Bespitzelung von mehreren UN-Delegationen vor dem Irakkrieg weitergegeben

DUBLIN taz ■ Ob Freund oder Feind – vor Spionen ist niemand sicher. UN-Generalsekretär Kofi Annan, der nach Aussage der früheren britischen Ministerin für Entwicklungshilfe, Clare Short, von ihrer Regierung bespitzelt worden ist, war nicht der einzige UN-Diplomat, für den sich die Agenten interessierten. Auch die Abgesandten aus Angola, Kamerun, Guinea, Pakistan, Mexiko und Chile wurden vor dem Irakkrieg überwacht. Diese sechs Länder hatten sich damals noch nicht festgelegt, wie sie bei der zweiten UN-Resolution über den Angriff auf den Irak abstimmen würden.

Herausgekommen ist die Angelegenheit, nachdem Katharine Gun, die damals als Übersetzerin für den britischen Geheimdienst arbeitete, am letzten Januartag vorigen Jahres eine E-Mail aus den USA in die Hände gefallen war. Darin bat der US-amerikanische Sicherheitsbeamte Frank Koza die britische Regierung und ihre Geheimdienste um Mithilfe bei der Abhörung von UN-Diplomaten. Gun fand das so ungeheuerlich, dass sie die Mail kopierte und einem befreundeten Journalisten zuspielte.

Es dauerte einen Monat, bis die Sache Schlagzeilen machte. Eine Woche später gestand Gun, dass sie die Quelle für die Zeitungsberichte sei. Sie wurde verhaftet, acht Monate später machte man ihr den Prozess wegen Geheimnisverrats. Vorgestern wurde das Verfahren eingestellt, weil die Staatsanwaltschaft keine Beweise vorlegen wollte.

Staatsanwalt Mark Allison sagte, es wäre „unangebracht“, die Gründe dafür zu erläutern. Offenbar spielte dabei aber eine Ankündigung von Guns Anwälten eine Rolle: Sie wollten neue Beweise dafür vorlegen, dass das Außenministerium den Angriff auf den Irak für völkerrechtlich illegal hielt. Diese Veröffentlichung wollte die Regierung verhindern und stoppte deshalb selbst den Prozess gegen Gun. In einem Dokument der Verteidigung, das dem Guardian vorliegt, heißt es: „Die Verteidigung glaubt, dass die juristischen Berater des Außenministeriums schwere Zweifel an der Legalität der Entsendung britischer Truppen ohne eine zweite UN-Resolution geäußert haben.“

Generalstaatsanwalt Lord Goldsmith teilte diese Zweifel nicht. Er war der Meinung, dass der Angriff auf den Irak völkerrechtlich bereits durch die Serie von UN-Resolutionen abgedeckt sei. Aufgrund dieser Einschätzung ist die stellvertretende Chefin des juristischen Stabes im Außenministerium, Elizabeth Wilmshurst, vor zwölf Monaten nach 30 Dienstjahren zurückgetreten, wie sie jetzt zum ersten Mal erklärte. „Manche stimmten mit der rechtlichen Einschätzung des Generalstaatsanwalts überein“, sagte sie. „Ich gehörte nicht zu denen.“

Der fehlgeschlagene Prozess gegen Katharine Gun hat die Debatte über die Kriegsgründe, die Premierminister Tony Blair überstanden zu haben hoffte, erneut in den Mittelpunkt gerückt. Dabei ist es durchaus üblich, auch wenn sie es nicht zugeben, dass die Agenten ihrer Majestät befreundete Regierungen ausspionieren. So haben die Geheimdienste im Jahr 2001 einen Spitzel als Bauarbeiter getarnt zur Renovierung des pakistanischen Vertretung in London entsandt. Der verkabelte das Haus säuberlich, wurde jedoch dabei entdeckt.

Abgesegnet ist die Überwachung von Freund und Feind durch das Geheimdienstgesetz von 1994. Wenn es „im Interesse der nationalen Sicherheit“ liegt, ist praktisch alles erlaubt.

RALF SOTSCHECK