Viel Inhalt, wenig Krach

Bei den verschiedenen Protesten am 1. Mai bleibt es vorerst ruhig. Nur in der Walpurgisnacht kommt es zu Ausschreitungen. DGB lockt 20.000 vor das Rote Rathaus. Durch Kreuzberg ziehen 10.000 Linksradikale

Weniger verletzte Polizisten in der Walpurgisnacht, wenig Konflikte bei der NPD-Demo, mehr Teilnehmer bei den anderen Demonstrationen – so lautete die Bilanz des 1. Mai zu Redaktionschluss am frühen Abend.

In der Nacht zum Donnerstag war es im Mauerpark in Prenzlauer Berg zu den befürchteten Krawallen gekommen. Rund 6.000 Menschen, meist Jugendliche, hatten zuvor friedlich um mehrere Maifeuer gefeiert. Nach Flaschenwürfen um Mitternacht räumte die Polizei den Park.

Bei den nächtlichen Krawallen gab es zumindest in den Reihen der Polizei – für die Teilnehmer liegen keine Zahlen vor – deutlich weniger Verletzte als vor einem Jahr: 29 statt über 80. Die Zahl der Verhaftungen stieg hingegen von 34 auf 97.

Gestern standen zunächst die aktuellen Reformpläne auf Bundes- und Landesebene im Mittelpunkt. Bei der Kundgebung des Deutschen Gewerkschaftsbunds (DGB) am Roten Rathaus griffen Gewerkschafter die geplanten Einschnitte scharf an. Die Vorschläge von Bundeskanzler Schröder bewegten sich „in der Gedankenwelt der Neoliberalen“, sagte Rolf Steinmann, Bundesvorständler der IG Bauen-Agrar-Umwelt. Die Tarifpolitik des rot-roten Senats nannte er unter dem Beifall der nach DGB-Angaben rund 20.000 Teilnehmer „eine einzige Provokation“.

Beim NPD-Zug zum Olympiastadion mit rund 1.200 Teilnehmern kam es laut Polizei zu „kleinen Rangeleien“. Etwa 300 Gegendemonstranten aus dem linken Spektrum versuchten, den Aufmarsch zu stören. Anschließend reinigten gut 150 Menschen die Demostrecke symbolisch von braunem Denken.

In Kreuzberg blieben bis Redaktionsschluss am frühen Abend Krawalle aus. Die so genannte 15-Uhr-Demo der Antifaschistischen Linken Berlin startete erst mit fast zweistündiger Verspätung vom Oranienplatz. „Scharon, Terrorist – George Bush, Terrorist“, schallte es aus den Lautsprechern. Unauffällig folgten rund ein Dutzend auf Konfliktvermeidung geschulte Polizisten der Demo quer durch Kreuzberg. Nicht mal aggressive Redebeiträge, die zum Umsturz des kapitalistischen Systems rufen, stacheln die rund 10.000 Teilnehmer an. Polizisten können ruhig nebenherlaufen. Behelmte Beamte sind vorerst nur in den Nebenstraßen zu sehen. Fahnen mit Mao-, Lenin- und Marx-Symbolen der autonomen Kommunisten, Anarchisten unorthodoxe Autonome und Araber mit Palästinenserfahnen, prägen das Bild. Erstmals seit langem hat es die zersplitterte Szene geschafft, wieder eine gemeinsame Demo zu organsieren. Nur ein Symbol fehlt: die Israelfahne.

Die ist umso zahlreichener bei der zweiten „revolutionären 1.-Mai-Demonstration“ um 18 Uhr zu sehen. Hierzu versammelten sich am frühen Abend rund 2.000 eher jungschicke, linke Gymnasiasten und Studenten am Rosa-Luxemburg-Platz. Politische Transparente sind Fehlanzeige. Das Ganze erinnert eher an ein sonniges Open-Air-Konzert. Erwartet wurde, dass zur anschließenden Demo Richtung Kreuzberg weitere Personen hinzukommen. FLEE, STA, ROT

berichte SEITE 22 und 23