Selbstzerstörung auf sozialistisch

PDS-Chefin Gabi Zimmer will ihre Partei aus der Krise führen. Doch will die Partei sie? Statt Sozialreformen zu diskutieren, verliert sich die Partei in Personaldebatten. Heute treffen die alten Gegner aufeinander – hie Traditionalisten, da Reformer

aus Berlin ULRICH SCHULTE

In der PDS macht sich nach chaotischen Tagen Endzeitstimmung breit. „Wir haben keine andere Chance als den Sonderparteitag“, sagte Helmut Holter, PDS-Arbeitsminister in Mecklenburg-Vorpommern, gestern der taz. Auch Stefan Liebich, Landeschef in Berlin, meint verzweifelt: Werde die aktuelle Krise nicht vernünftig gelöst, „war’s das als ernst zu nehmende Partei“.

Retten, was zu retten ist. Das ist Ziel des heutigen Treffens der PDS-Führungsriege in der Berliner Parteizentrale. Die Parteivorsitzende Gabi Zimmer will mit den Chefs der Ost-Landesverbände, den beiden Bundestagsabgeordneten sowie PDS-Ministern und -Senatoren über die Führungskrise beraten. Aller Voraussicht nach wird sich die Runde für einen Sonderparteitag aussprechen, den die Mehrheit der Ost-Landesverbände fordert. Auf diesem will man über den völlig zerstrittenen Bundesvorstand und die inhaltliche Profilierung neu entscheiden. Nach Gera ist vor Gera, heißt es in Erinnerung an den kontroversen Parteitag, bei dem sich die Traditionssozialisten um Zimmer gegen die Reformer durchgesetzt hatten. Jetzt stehe die Partei erneut, so Meck-Pomms Landeschef Peter Ritter, am „Scheideweg zwischen Nostalgieverein und Reformkraft.“

Am letzten Wochenende ist der seit Monaten schwelende Führungsstreit eskaliert: Zimmer überwarf sich vollends mit Parteivize Diether Dehm und Bundesgeschäftsführer Uwe Hiksch. Nachdem eine – von Letzteren organisierte – knappe Mehrheit im Vorstand die Diskussion über ein lang vorbereitetes Reformpapier verhinderte, verfasste Parteichefin Zimmer sonntags eine „Agenda Sozial“ – als Antwort auf Schröders „Agenda 2010“. Das Papier fordert etwa eine steuerfinanzierte Grundsicherung für Arbeitslose, eine Reform von Vermögen- und Erbschaftsteuer sowie die Einführung einer bedarfsorientierten sozialen Grundsicherung.

Durch lauter werdende Forderungen nach Sonderparteitag und Führungswechsel beginnt für die umstrittene Parteivorsitzende einmal mehr ein Kampf um ihr Amt. Die Partei dürfe jetzt nicht streiten, sondern müsse gegen die Pläne der Bundesregierung zum Sozialabbau angehen, so ihr gestriger Geschlossenheitsappell. Doch Vorstand von Partei und Landtagsfraktion in Thüringen, Zimmers Heimat, fordern die Neuwahl der Bundesspitze – möglichst bald. „Wir sind der Auffassung, nicht zum ersten Mal, dass sie mehr Führungsstärke zeigen soll“, so PDS-Landeschef Dieter Hausold. „Der Vorstand sollte den Weg frei machen, indem er in Gänze zurücktritt.“ Der mecklenburg-vorpommersche Minister Holter sagte gestern der taz: „Es wird nicht funktionieren, den Vorstand nur teilweise auszuwechseln.“ Gabi Zimmer müsse sich vor einer kompletten Neubesetzung entscheiden, ob sie kandidieren wolle. Die PDS-Landesverbände von Berlin und Brandenburg sprachen sich für die Neuwahl des Bundesvorstandes aus. Die PDS, so schwant es den Genossen, verpasst eine einmalige Chance: Sie befinde sich in einer „existenziellen Krise, und das in einer Situation, in der eine demokratisch sozialistische Partei dringender denn je in Deutschland gebraucht“ werde. Doch statt linker Profilierung drohen Personaldebatten. Parteichefin Zimmer gestern: „Ich stehe zur Verfügung, wenn die Mannschaft stimmt.“

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