: Mittendrin
Einladung zum Bücherlesen und Romaneschreiben zwischen Thai-Imbiss und Porno-Shop: Die Literaturagentur Eggers und Landwehr hat in Mitte ein Literaturcafé eröffnet
Ein neues Café ist ein Ort der Hoffnung. Die frisch renovierten und nach den Vorstellungen der Betreiber gestalteten Räumlichkeiten künden davon, dass hier in Zukunft interessante Menschen interessante Gespräche führen. Dass hier bald einsame Menschen etwas weniger einsam sind oder zumindest einen guten Rausch haben. Und dass hier manche Menschen nach der Lektüre mehrerer Tageszeitungen möglicherweise auch ein paar Gedanken entwickeln. Wenn es sich gar um ein so genanntes Literaturcafé handelt, gibt es der Hoffnung noch viel mehr: das Café als Ort und Hort der schönen Literatur und des literarischen Lebens, als Begegnungsstätte von Schriftstellern und Literaturinteressierten.
Wenn so ein Literaturcafé dann aber von einer erfolgreichen Literaturagentur wie Eggers und Landwehr eröffnet wird wie das neue Café gleichen Namens in der Rosa-Luxemburg-Straße in Mitte, kommt zu der vielen Hoffnung natürlich auch viel geschäftsmäßiges Kalkül. So soll das Eggers-Landwehr-Café laut Geschäftsführer Thomas Laschinski nicht nur ein Treffpunkt sein, „ein Ort, wo sich Literarisches und Kulinarisches miteinander verbinden“, nun ja, sondern eine „Repräsentationsfläche“ für die von der Agentur betreuten Autoren.
Das bietet sich sowieso an, da Petra Eggers und Mathias Landwehr auch neue Geschäftsräume im gleichen Haus in der Rosa-Luxemburg-Straße bezogen haben. Das ist zudem nicht die schlechteste Idee gerade in Zeiten der Zeitungs- und Buchhandelskrise – Bücher wollen schließlich weiter verkauft und Autoren bekannt gemacht werden, warum nicht im eigenen Café? Im Mai lesen hier beispielsweise Christoph Amend oder Florian Illies, Wladimir Kaminer, Ahne oder Uli Hannemann, Stephan Wackwitz und Claus Leggewie. Die Generation-Golf-und-jünger-Spezialisten also, die Lesebühnenstars und andere Schwergewichte.
An großen, publikumswirksamen Namen herrscht also kein Mangel – da kann die Konkurrenz in der Umgebung ruhig groß sein, man denke an die regelmäßigen Leseshows im Kaffee Burger, im Zosch oder im Sportmagnet. Da schreckt auch das höchstwahrscheinlich bevorstehende Ende von Juliettes Literatursalon nicht. Bange machen gilt nicht im Hause Eggers und Landwehr, zumal, wie Thomas Laschinski sagt, „wir schon wahnsinnig viel positive Resonanz gerade auch seitens der Verlage bekommen haben“.
Die inoffizielle Eröffnung mit den geladenen Gästen am Mittwochabend war dann eine Art Versprechen auf die Zukunft, zumindest hinsichtlich des Andrangs und Ausverkauftseins. Der rote Teppich und die kleinen Absperrungen vor dem Café machten allerdings einen seltsamen Eindruck: Die wirkten etwas hochgetunt, gerade in der Rosa-Luxenburg-Straße zwischen Thai-Imbiss und Pornoladen, gerade in der Nacht auf den 1. Mai, wo ein paar Straßen nördlich schon wacker gekämpft wurde. Das las sich dann wieder wie: Vorsicht, Literatur! Vorsicht, Literaturbetrieb! Vorsicht, geschlossene Gesellschaft! Drinnen aber reichten sich Verlagsleute, Medienpartner und Literaturbetriebsmenschen entspannt und offebnbar voll Zuversicht die Hände und Pott’s-Biere (hell schimmernd, aus Whiskeygerste und Oelde, Westfalen). Selbst Schriftsteller waren da, auch nicht die ältesten, von wegen Perspektiven: Christoph Peters, Andreas Neumeister, Rainald Goetz, Alexa Hennig von Lange, Diederich Diederichsen, Uli Hannemann.
Sie alle standen entweder an der etwas unübersichtlichen U-förmigen Theke oder saßen unter den reihum in die Wand gelassenen Buchvitrinen. Was für Atmosphäre tagsüber herrschen wird, wenn der Laden nur halb so stark brummt, und wie die Lesungen über die Bühne gehen, das ließ sich an diesem Abend nur erahnen. Hell, freundlich und stylish genug ist es jedenfalls, keinesfalls retro, und selbst Leseexemplare der Eggers-und-Landwehr-Autoren sollen dann ausliegen. Ein anderes Versprechen auf die Zukunft hat man dem Café übrigens mit eingebaut: An jedem Tisch gibt es eine Steckdose für den Laptop. Wenn das keine Einladung zum Romaneschreiben ist. GERRIT BARTELS
Morgen um 20 Uhr gibt es die erste Lesung mit Sibylle Berg, danach immer Mo.–Fr., 10–20 Uhr, Lesungen ab 20 Uhr, Rosa-Luxemburg-Straße 17, Mitte