„Wir können das Ventil nicht dichten“

Veranstalter der Revolutionären 1.-Mai-Demonstrationen loben Polizeistrategie während der Protestmärsche, die friedlich blieben. An den „hohlen Distanzierungsritualen“ gegenüber Randalierern wollen sie sich nicht beteiligen

Nichts bringt sie in Verlegenheit. Weder fliegende Steine noch die Frage, wer die verbrannten Autos zu verantworten hat. Man merkt sofort: Hier sind Profis am Werk. Gemeint sind die Sprecher des Bündnisses der Kreuzberger „Revolutionären 1.-Mai-Demonstration“ – kurz: der 15-Uhr-Demo – am Tag danach. Sie wissen: Wir müssen keiner Frage ausweichen. Denn dieses Mal war es noch eindeutiger als letztes Jahr: Die Gewalt ging nicht von ihrer Demonstration aus. Insofern fühlen sie sich auch nicht für die Straßenschlachten verantwortlich, die erst abends ab 20 Uhr losgingen, also zwei Stunden nachdem ihre Demonstration beendet war.

„Ich beteilige mich nicht an hohlen Distanzierungsritualen“, sagt Michael Kronewetter, Sprecher der Antifaschistischen Linken Berlin (ALB). Für viele Jugendliche in Kreuzberg habe der 1. Mai die Funktion, Druck abzulassen. Dieser Tag sei wie ein Ventil. Es sei aber nicht die Aufgabe der Organisatoren der Demonstration, das „Ventil wieder dicht zu machen“. Als Veranstalter habe er ohnehin nur geringen Einfluss auf die Randalierer. Die Demonstration an sich war aus seiner Sicht daher ein großer Erfolg. Mit mehr als 10.000 Teilnehmern sei alles wie abgesprochen verlaufen, stimmt ihm auch Mitorganisatorin Moré Keskin von den Revolutionären Kommunisten zu, besser bekannt unter dem Namen RIM. Ihre Erwartungen hätten sich alle erfüllt, es sei ein breiter Protest gegen den Krieg gewesen. Und auch über den Polizeieinsatz zeigten sich die Organisatoren zufrieden. Die Deeskalationsstrategie der Polizei sei während der Demonstration aufgegangen, lobt Kronewetter. Die Polizisten hätten sich weitgehend bedeckt gehalten und nicht provoziert.

Ähnlich positiv bilanzieren es auch die Veranstalter der Revolutionären 1.-Mai-Demonstration, die um 18 Uhr von Mitte nach Kreuzberg ging. Zwar waren es nicht die 10.000 Teilnehmer, die sie erwartet hatten, sondern nur die Hälfte davon, aber auch sie berichteten, dass es nicht eine Polizeiprovokation gegeben habe. Ganz anders bewertet Kronewetter hingegen das Vorgehen der Polizei gegenüber den Demonstranten, die den Naziaufmarsch am 1. Mai verhindern wollten. Innenminister Körting habe die harte Linie seines Vorgängers Eckart Werthebach übernommen, die Demonstranten seien massiv am Protest gehindert worden. Kronewetter kritisiert auch den Umgang mit den Festgenommenen in der Walpurgisnacht. Von den rund 50 Festgenommenen, die ihm bekannt seien, hätten nur 10 vor dem Haftrichter rechtlichen Beistand erhalten. Anwälte seien nicht zu den Mandanten durchgekommen. Dies sei eine neue Qualität, die es so in Berlin noch nicht gegeben habe.

Ankündigungen des Innensenators, dass er angesichts der nächtlichen Krawalle im nächsten Jahr wieder eine härtere Gangart einschlagen wolle, nehmen die Veranstalter gelassen auf. Sie rechnen auch 2004 wieder mit vielen Teilnehmern. Kronewetters Antwort darauf: „Innensenatoren kommen, Innensenatoren gehen – der 1. Mai aber, der bleibt.“ FELIX LEE