„Das ist nicht meine Heimat“

George Soros will George W. Bush aus dem Weißen Haus jagen. Dafür spendet Soros Millionen und schreibt ein fulminantes Buch. Nur: Auch mit diesen Spenden nimmt die Privatisierung der Politik zu

VON CLAUS LEGGEWIE

Obszön gestiegene Wahlkampfkosten in den Vereinigten Staaten lassen besorgte Amerikaner schon lange fragen, ob sich eine superreiche Geldaristokratie Kongressmandate oder gar das Amt des Präsidenten kaufen könne. Aktuell muss man sich zudem fragen, ob man mit genügend Geld einen Amtsinhaber auch wieder loswerden kann. Denn ein Superreicher hat George W. Bush, der mehr Dollar in seiner Kriegskasse hat als alle demokratischen Herausforderer zusammen, den Kampf angesagt: George Soros, einer der erfolgreichsten Börsenmakler aller Zeiten.

Seine Börsenspekulationen haben dem 74-Jährigen ein Vermögen von sieben Milliarden US-Dollar und Platz 28 auf der Liste der reichsten US-Bürger eingebracht. Bekannt geworden ist er jedoch als politischer Mäzen, der seit Mitte der 80er-Jahre Milliarden in die Förderung von Demokratie und Zivilgesellschaft im früheren Ostblock, in Afrika und Asien steckt sowie für sozialpolitische Projekte in den USA hergibt.

Der Spekulant, der bereits die Bank of England düpiert hat, spekuliert gern auf Baisse, und sein größter Coup wäre die Abwahl von Präsident Bush im November. Dazu hat er viele Bush-Gegner gesponsert, allen voran Howard Dean, der nach der verlorenen Vorwahl in Wisconsin allerdings das Handtuch geworfen hat. Den Grund für seine Spendenfreudigkeit beschreibt Soros in einem 200 Seiten starken Pamphlet:

Bushs Innen- und Außenpolitik sei brandgefährlich, da sich in ihr religiöser Extremismus, Marktfundamentalismus und Sozialdarwinismus vereinen. Der Terroranschlag vom September 2001 habe nur als Vorwand gedient für die Verwirklichung der seit langem erstrebten imperialen Vorherrschaft. Nur: Die militärische Verstrickung im Irak, das immense Haushaltsdefizit und die skandalöse Verschuldung der USA würden den Traum vom Imperium platzen lassen wie die Spekulationsblase der „New Economy“.

Den Zyklus von Boom und Bust kennt Soros zur Genüge. Und wie er in drei Streitschriften gegen eine haltlose Globalisierung vor sich und seinesgleichen gewarnt hat, will er jetzt das weltgrößte Sicherheitsrisiko brandmarken – denn ein Scheitern Amerikas könnte alles in Scherben fallen lassen. Das Buch bilanziert nicht nur kritisch die US-Politik seit 2001, sondern skizziert auch eine alternative Politik unter demokratischer Ägide. Trotz vieler Selbstzitate und Selbstlob ist es dabei erheblich informativer als die Coffeetable-Books, die andere Weltunternehmer abzusondern pflegen.

Dabei ist es eigentlich nur ein Trailer für die Anti-Bush-Kampagne, der sich Soros mit Haut und Haar verschrieben hat: Die Bush-Administration pervertiert alle Werte von Freiheit und Demokratie, die den ungarischen Juden und Holocaust-Überlebenden mit Millionen anderer Flüchtlinge nach Amerika gezogen haben. Hier schreibt ein amerikanischer Patriot und Weltbürger, aber auch ein Globalisierungskritiker, der die Herausforderung des Terrorismus nicht unterschätzt, aber die falsche Reaktion der USA darauf für das größere Übel hält.

„Das ist nicht das Amerika, das ich als meine Heimat gewählt habe“, beschreibt Soros seinen Furor. Er befürwortet präventive Interventionen in Krisengebieten, nachhaltige Entwicklung und eine an demokratische Kriterien gebundene Auslandshilfe, skizziert damit eine Art Soros-Doktrin gegen die Präventivkriegsdoktrin von Bush jr. Darin mag man Ansätze einer weniger amerikazentrischen Außen- und Sicherheitspolitik erkennen, die eine demokratische Administration von den Neokonservativen in Washington unterscheiden würde.

Soros, der sich in früheren Wahlkämpfen als Großspender zurückgehalten hat, wird nun wohl auf John F. Kerry setzen, dessen üppiges Privatvermögen kaum langen wird, um ins Oval Office einziehen zu können. Aber heiligt der Zweck alle Mittel? Geld stinkt nicht, finden Bush-Gegner wie MoveOn.org und America Coming Together, deren TV-Spots Soros finanziert hat. Aber es ist doch pikant, wenn ein Finanzmagnat, der eben noch das Gesetz zur Reform der Wahlkampffinanzierung unterstützt hat, nun exakt jenes „soft money“ aus vollen Händen verteilt, das den amerikanischen Wahlkampf in den letzten Jahrzehnten pervertiert und die amerikanische Demokratie immer exklusiver gestaltet hat. Auch schreitet damit eine Privatisierung der Weltpolitik weiter voran, die jede demokratische Kontrolle vermissen lässt und höchstens den moralischen Kredit für sich in Anspruch nehmen kann, Dollars für eine bessere Welt zu verausgaben.

Soros’ Buch, das den Sieg der Demokraten beschwört, könnte sich als Pyrrhussieg für die Demokratie erweisen. Aber zu Recht fürchtet der Autor die Folgen einer zweiten Amtsperiode von George W. Bush, die den Segen der Mehrheit der Amerikaner finden würde.

George Soros: „Die Vorherrschaft der USA – eine Seifenblase“. Aus dem Amerikanischen von Hans Freundl und Norbert Juraschitz. Karl Blessing Verlag, München 2004, 224 Seiten, 20 Euro