Der edle Schweiß des Mächtigen

Ministerpräsident Peer Steinbrück setzt sich dafür ein, dass im Ruhrgebiet auch mit der Industrieproduktion Geld verdient wird und nicht nur beim Haare schneiden

VON CHRISTOPH SCHURIAN

Dass Ministerpräsident Peer Steinbrück (SPD) gern das Land bereist, hat nichts mit dem nahenden Kommunalwahlkampf zu tun. Dass er zu seinen Stippvisitten regionale EntscheiderInnen hinzu bittet, die ihm schweigend beiwohnen, wenn er verrät, was er zuvor erlebt und gehört habe – auch das hat nichts mit Wahlkampf zu tun. Schon mal gar nichts zu tun mit den Kommunalwahlen haben Steinbrücks ausnahmslos gute Nachrichten für die jeweiligen lokalen Prestigeprojekte.

Gestern konnte sich das mittlere Ruhrgebiet über Steinbrücks Wundertüte freuen. In Bochum sprach der MP erst mit der Medizinwirtschaft. Danach folgte ein Treffen mit der Industrie- und Handelskammer, der Regierungspräsidentin aus Arnsberg, dem Landrat des Ennepetals, dem Oberbürgermeister von Herne. Und für alle hielt Steinbrück reichlich Süßes bereit: In Bochum wird das Land mit knapp 25 Millionen Euro ein Biomedizinzentrum fördern, im Ennepetal eines für Zahnmedizin. Hattingens Henrichshütte werde ausgebaut. In Herne könnte gar ein Logistikpark entstehen.

Weil Geld alleine nicht glücklich macht, hatte Steinbrück auch jede Menge Lob fürs mittlere Ruhrgebiet mitgebracht. Nirgendwo sonst im Land werde beispielsweise soviel Außenwirtschaft betrieben, in Deutschland liege man auf dem fünften Platz. „Das ist Champions-League verdächtig“, und natürlich vergaß der MP hier nicht den leutseligen Vergleich zum Tabellenplatz des ortsansässigen Bundesligisten VfL Bochum. Wahlkampf? Ach was.

Sportlich mischte sich der Ministerpräsident auch ein in Wirtschaftspolitik, Emissionshandel und Kraftwerke. Herne sieht er liebend gern als künftigen Standort für ein modernes Referenzkraftwerk, betrieben mit Steinkohle und einem 47-prozentigen Wirkungsgrad: „Es wäre schon den Schweiß der Edlen wert, sich dafür stark zu machen“, drechselte der Regierungschef. Selbst im fernen Peking sei man interessiert. Warum? Der weltgewandte NRW-Chef klärte auf: Das internationale olympische Komitee habe die Vergabe der Spiele 2008 an Luftverbesserungen geknüpft. Könne der Kraftwerksbauer Steag in Herne den Prototyp bauen – locke in Fernost ein dicker Bauauftrag: „Da geht es nicht nur um Blaupausen“.

Um mehr als Blaupausen geht es Steinbrück auch beim Streit um den Emissionshandel. Industrieverbände und Bundeswirtschaftsministerium werfen dem grünen Umweltminister Jürgen Trittin vor, Kohlekraftwerke zu benachteiligen gegenüber der Erdgas-Verstromung. „Land und Kraftwerkswirtschaft haben ein massives Interesse daran, dass die Braunkohlekraftwerke modernisiert werden“, donnerte Steinbrück. Wenn RWE nun, wie angekündigt, vom Bau des Kraftwerkblocks im Rheinischen Revier abrücke, würde das einen erheblichen Verlust bedeuten – er habe aber den Eindruck, dass sich die Streitparteien in Berlin einigen werden.

Und doch, Steinbrück blickte wachsam auf, Nordrhein-Westfalen sei immerhin der Standort von 40 Prozent der bundesdeutschen Kraftwerke, das Land habe ein Interesse am Erhalt der Industrieunternehmen: „Wir verdienen hier unser Geld nicht allein am Export von Blaupausen oder durchs Haare schneiden!“