DER FALL KIRCH ZEIGT: POLITIKER MÜSSEN IHRE EINKÜNFTE OFFEN LEGEN
: Dienstreisen sind nicht das Problem

Rezzo Schlauch hätte es wissen müssen, und Helmut Kohl hat es bestimmt gewusst: Der eine, dass ihn die Verknüpfung von privaten mit dienstlichen Terminen während einer USA-Reise ins Gerede bringen würde – der andere, dass ihm hohe Honorare für eine anrüchige Beratertätigkeit langfristig nichts werden anhaben können. Wer Vorgänge wie den CDU-Finanzskandal als weiterhin geachteter Mann übersteht, der braucht das Urteil der Öffentlichkeit nicht mehr zu fürchten.

Der Altkanzler könnte inzwischen vermutlich silberne Löffel klauen, ohne einen Imageschaden zu erleiden. Der grüne Staatssekretär sollte hingegen selbst bei privaten Kurzreisen nach Wanne-Eickel größte Vorsicht walten lassen. Das Publikum reagiert da empfindlich. Also mit der klassischen Form der Ersatzbefriedigung von gut trainierten Probanden, denen beigebracht wurde, die großen Knochen liegen zu lassen und sich mit Küchenabfällen zu begnügen. Praktisch für diejenigen, die gerne die großen Knochen behalten wollen.

Mit nichts anderem lässt sich so zuverlässig öffentliche Erregung hervorrufen wie mit einer Erörterung der Verkehrsmittel, die Abgeordnete und Regierungsmitglieder nutzen: Musste es wirklich die Flugbereitschaft sein? Hätte es nicht vielleicht einen Linienbus gegeben? Und können Parlamentarier nicht auch einmal zu Fuß gehen? Warum benutzen sie selbst für kurze Wege die Fahrbereitschaft des Bundestages? Derlei Diskussionen sind lächerlich. Sie verbrauchen Energie, die für andere Themen dringend gebraucht würde.

Die Angst vieler Politiker, sich durch die Art ihrer Fortbewegung angreifbar zu machen, zieht groteske Folgen nach sich: Wenn der Verteidigungsminister – wie geschehen – zwischen zwei anderen Veranstaltungen einen Parteitermin wahrnimmt und der Bundeswehrhubschrauber leer von A nach C fliegt, weil der Minister von A nach B und von B nach C auf anderem Wege gelangen muss, dann spart das keine Steuergelder, sondern kostet unnötig Kraft und Nerven.

Eine Dienstreise zu einem – privat bezahlten – Abstecher zu nutzen, ist kein Skandal, sondern üblich. Schluss mit der leidigen Debatte um Reisen von Politikern! Lasst sie alle fahren, wohin sie wollen, so oft sie wollen und wie sie wollen! Immerzu, und sogar privat! Und zwingt sie im Gegenzug endlich dazu, alle Einkünfte offen zu legen. Die Zuwendungen, die Helmut Kohl von Leo Kirch bekommen hat, rechtfertigen Zweifel an der Unabhängigkeit des Altkanzlers. Trotzdem waren sie vermutlich legal. Das allerdings ist ein Skandal, der jede öffentliche Erregung rechtfertigt. BETTINA GAUS