Winterfest

Juventus Turin trotzt Gegnern und Witterung. Doch die Mannschaft von Claudio Ranieri kämpft zum Ärger des Publikums ihre Gegner nieder, anstatt spielerisch zu glänzen. Demnächst soll Schweinsteiger Abhilfe schaffen

TURIN taz ■ Die Stürme, die in den vergangenen Tagen über Italien hinwegfegten, hatten Schnee ins Turiner Olympiastadion gebracht. Von einem doppelten Schneesturm überfallen hatten sich daher die Männer aus dem kalabresischen Reggio di Calabria gefühlt, die nach den zwei letzten Siegen mit verhaltenem Optimismus die Reise in den Norden angetreten hatten. Aber ein Juventus Turin in Bestbesetzung, das offensichtlich die Schmach der 0:1-Niederlage gegen Inter Mailand am vergangenen Samstag zu löschen gewillt war, hatte die Gäste förmlich überrollt.

Held des Abends war der Italo-Argentinier Mauro Camoranesi. Nach längerer Verletzungspause in die Startelf zurückgekehrt verletzte der Rechtsaußen sich bereits in der zweiten Minute nach einem Zusammenprall an der Schulter. Trainer Claudio Ranieri wollte ihn vom Platz herunter nehmen. Camoranesi biss sich jedoch durch. „Er wollte weiterspielen. Ich habe ihm nur geraten, den Arm zur Verringerung der Schmerzen hochzuhalten, erklärte Ranieri später. Eine Entscheidung mit Folgen: Der lädierte Spieler erzielte nach Flanke des auch in der Meisterschaft wieder energischeren Nedved das 1:0 und bereitete das 2:0 durch den inzwischen winterfesten Brasilianer Amauri vor. Seinen Einsatz (die Gazzetta dello Sport verglich ihn mit dem des Frankenkriegers Karl Martell auf dem Schlachtfeld) bezahlt Camoranesi nach ersten Diagnosen allerdings mit einer Zwangspause bis Weihnachten. Chiellini, nach Flanke des Camoranesi-Ersatzes Marchionni, und Del Piero besorgten das deutliche 4:0. Der Juve-Kapitän erzielte damit seinen 250. Treffer als Profi. Das Jubiläum des 200. Tors (Serie A und B, Pokal sowie internationale Clubwettbewerbe) hatte er vor zwei Jahren noch in der zweiten Liga feiern müssen. Nachdem Juve bereits beim Kältespiel in St. Petersburg das Weiterkommen in der Champions League perfekt gemacht hatte, bewirkte der kraftvolle Auftritt im heimischen Schnee die Rückkehr auf den kurzzeitig verlassenen Meisterschaftskurs. Zwar schränkte Del Piero nach seinem Jubiläumstor bescheiden ein: „Mein erstes Ziel ist, mich immer weiter zu verbessern.“

Die Abrechnung folgt erst am Ende einer Saison. Sein Trainer meinte jedoch: „Keiner spielt, um nur den zweiten Platz zu erreichen.

Das sind klare Worte zum Winteranfang. Ob aber tatsächlich mehr als der zweite oder dritte Platz herausspringt, ist fraglich. Das Juventus der Post-Moggi-Ära ist mit dem Makel belastet, seine Aufgaben nur unter Einsatz von Kraft und Willensstärke, nicht aber durch spielerische Überlegenheit lösen zu können. Vor allem im zentralen Mittelfeld fehlen Juve die Ideengeber. Das Talent Giovinco hat Ranieris Vertrauen noch nicht erobern können. Besser als der umworbene Schweinsteiger könnte der seit langem auf der Wunschliste der Turiner stehende spanische Nationalspieler Xabi Alonso vom FC Liverpool diese Lücke füllen. TOM MUSTROPH