Rente für Kohl nicht mehr sicher

Exbundeskanzler Helmut Kohl kassierte nach seiner Amtszeit von Intimfreund Kirch hunderttausende Mark pro Jahr. Der KirchMedia-Insolvenzverwalter prüft jetzt, was Kohl überhaupt geleistet hat – und will vielleicht das Geld zurück

aus Berlin ULRICH SCHULTE

In der Münchner Anwaltskanzlei, die das Insolvenzverfahren des Imperiums von Medienhändler Leo Kirch leitet, gibt man sich wortkarg: Grundsätzlich sage man in Sachen Kirch-Pleite nichts zu laufenden Verfahren, so ein Sprecher zur taz. Doch auch karge Statements können viel besagen. „Es sind noch keine Briefe rausgegangen“, sagt der Sprecher. „Noch“, das heißt, Politrentner Helmut Kohl in Oggersheim dürfte schon bald unangenehme Post öffnen.

Auch die KirchMedia wollte gestern einen entsprechenden Bericht der Süddeutschen Zeitung nicht dementieren. Michael Jaffé, Verwalter des insolventen Kirch-Imperiums, will demnach Exbundeskanzler Helmut Kohl schriftlich auffordern, Details über seine Beraterverträge mit Kirch zu nennen. Kohl hat kurz nach seiner Kanzlerschaft jahrelang 600.000 Mark von dem inzwischen bankrotten Kirch kassiert – als Berater.

Der Vorgang kann Sprengkraft entfalten: Tat Kohl Relevantes für sein Geld, oder schob Kirch es als Dankeschön nach guter politischer Zusammenarbeit rüber? Der SPD-Bundestagsabgeordnete Volker Neumann, der bis Sommer 2002 den Untersuchungsausschuss zur CDU-Spendenaffäre leitete, sagte der taz, er würde „gerne wissen, welche Dienstleistungen Kohl erbracht hat“. Erst wenn das klar sei, könne man entscheiden, ob es Scheinverträge seien, so Neumann weiter. Sein Kollege Max Stadler, Rechtsexperte und FDP-Obmann, hatte sich genau diese Frage damals schon gestellt.

Kohl war – mit 600.000 Mark Jahressalär von 1999 bis 2002 – nur einer von vielen überwiegend konservativen Politikern auf der Honorarliste des Unionsfreundes Kirch. Unter anderen müssen auch mit Post vom Insolvenzverwalter rechnen: Theo Waigel (CSU, von 1999 bis 2002 600.000 Mark pro Jahr), Jürgen W. Möllemann (FDP, zwischen 1995 und 2002 bis zu 800.000 Mark jährlich), Exbundespostminister Wolfgang Bötsch (CSU, von 1999 bis 2002 300.000 Mark im Jahr). Die meisten dieser lukrativen Kontrakte wurden geschlossen, als der Untergang des Kirch-Imperiums bereits dräute.

Ob das Auskunftsbegehren tatsächlich Licht in Kirchs Speziwirtschaft wirft, ist noch unklar. Denn, wie es dem Abgeordneten Neumann schwant: „Die Frage ist, wie die Auskunft aussieht.“

Sicher nicht so, wie der Spiegel berichtete: Kohl hat nach dem Bericht 1995 den damaligen Telekom-Aufsichtsratschef für einen Fernsehdecoder zu gewinnen versucht, den Kirchs Medienkonzern entwickelt hatte. Die Telekom favorisierte ein Konkurrenzmodell. Diesen Vorgang habe Kohl in einem Brief „absolut inakzeptabel und unerträglich“ genannt. Er erwarte nun „umgehend“ einen Bericht „über den Vergleich mit den beiden Decodern, wobei ich selbstverständlich davon ausgehe, dass dieser Vergleich in kompetenter und seriöser Weise hergestellt wurde“, zitiert das Blatt weiter aus dem Kohl-Brief.

Der Exkanzler reagierte prompt – und deutete die „Unterstellungen und Verleumdungen“ in einen „Entlastungsangriff“ zu Gunsten der Bundesregierung um. Kohl bestätigte zwar die Zitate, sie belegten jedoch „das Interesse und große Engagement des Bundeskanzlers“ für die Zukunftssicherung Deutschlands. Sein Eintreten für eine Entscheidung der Telekom für einen von den Firmen Kirch und Bertelsmann entwickelten Decoder sei eine Zukunft sichernde Maßnahme gewesen.

Was in Zeiten unsicherer Renten noch von Belang ist: Wenn Kohl und die protegierten Politiker auf das Auskunftsbegehren nicht antworten, will Insolvenzverwalter Jaffé im Interesse der KirchMedia-Gläubiger das Geld zurück – reine Schenkungen kann er nachträglich anfechten.